Behinderte werden Opfer des steirischen Sparkurses. | Glücksspiel kommt dagegen ungeschoren davon. | Graz. In der Waldertgasse, mitten in einer modernen Wohnsiedlung im Norden von Graz, befindet sich ein betreutes Wohnheim der Steirischen Lebenshilfe. In verschieden großen Wohngemeinschaften werden hier zwölf kognitiv und körperlich beeinträchtigte Klienten betreut. Das 2004 erbaute Gebäude wirkt freundlich und hell. Hier hat jeder Platz, um sich zu entfalten, ein Umstand, der keine Selbstverständlichkeit darstellt.
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In der nur ein paar Meter weiter entfernten Einrichtung in der Wolkensteingasse, eine der ältesten Grazer Betreuungseinrichtungen, sind die Räume viel kleiner. Sie umfassen durchschnittlich acht bis neun Quadratmeter. Zudem ist das Haus nicht barrierefrei und teilweise desolat. "Vor zwanzig Jahren wurden in so einem Zimmer noch bis zu drei Klienten untergebracht.", erzählt Elisabeth Glatz, Leiterin des betreuten Wohnheims in der Waldertgasse.
Nach den kahlschlagartigen Kürzungen im steirischen Landesbudget ist der Fortbestand der Häuser völlig offen. Sicher ist, dass Personal gekündigt werden muss. Dabei ist das Haus in der Waldertgasse ein Beispiel für die Entghettoisierung von Behinderten im Laufe der letzten zwanzig Jahre: Damals wurden diese Menschen noch ausschließlich in Großeinrichtungen untergebracht, in denen meist menschenunwürdige Zustände herrschten. Derartige Einrichtungen befanden sich nicht etwa, wie heute, inmitten von Wohnsiedlungen, sondern vielmehr an den Peripherien.
Zurück in die traurige Vergangenheit
Heute ist man sich bewusst, wie wichtig es ist, Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zu integrieren und sichtbar zu machen. Doch mit dem Wegfall von Zusatzfinanzierungen droht diese Entwicklung zu stagnieren. Durch den Personalabbau kann auf lange Sicht keine derart qualitative Betreuung gewährleistet werden. Projekte wie die Waldertgasse stehen an der Kippe. Und am härtesten trifft es jene, die keine Familie mehr haben. Mehr als die Hälfte der Bewohner der Betreuungseinrichtung in Söding sind über 50 Jahre alt und haben keine Eltern mehr, die sie nun bei sich aufnehmen könnten. Auch hier ist ein weiterer Bestand ungewiss.
Besonders betroffen ist auch der Verein Alpha Nova, der in erster Linie schwer- bis schwerstbehinderte Klientinnen betreut. Hier muss man in Zukunft mit bis zu 50 Prozent weniger Budget auskommen. Die von Alpha Nova betreuten Menschen weisen sehr große Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionspotential auf. Dies wiederum erfordert viel und qualifiziertes Personal. Wenn es bei dem Budgetentwurf bleibt, können einzelne Kunden nicht mehr begleitet werden. "Vor zwanzig Jahren haben wir diese Menschen aus den Psychiatrien herausgeholt, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu bieten. Nun kommen sie wieder in geschlossene Einrichtungen, die zum Teil nicht menschenkonform sind", meint Thomas Driessen, Geschäftsführer des Vereins Alpha Nova.
Jene, die am meisten Unterstützung beziehen, sind auch am stärksten von den Kürzungen betroffen - ein Umstand, der die soziale Härte des Landesbudgets widerspiegelt. Zudem erweisen sich die Einsparungen, die man nun macht, als äußerst kurzsichtig. Die Kosten, die durch die Kündigungen von Pflege- und Betreuungspersonal auf das Land zukommen, sind im Budgetentwurf der Landesregierung nicht angeführt. Wer gekündigt wird, landet schließlich beim AMS und muss vom Staat finanziert werden.
Während die Landesregierung nun nicht davor zurückschreckt, teils existenzbedrohende Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich in Kauf zu nehmen, ist man sehr wohl bereit, jährlich auf bis zu 40 Millionen Euro an Steuereinnahmen zu verzichten. Die von der KPÖ Steiermark seit langem geforderte Anhebung der Abgaben auf Glücksspielautomaten auf Wiener Niveau - 1400 Euro pro Automat - wird weiter abgewiesen. Zwar wurde die Höhe der Abgaben 2011 von 670 auf 1000 Euro pro Automat erhöht, jedoch nicht konsequent exekutiert. Nachdem die ÖVP gegen die Erhöhung der Glücksspielabgaben Einspruch erhoben hat, wartet man noch auf eine Entscheidung.
Teilerfolge im Kampf gegen Kürzungen
Mit 4700 Glücksspielautomaten ist die Steiermark europaweiter Spitzenreiter. Laut Suchtbericht von 2008 sind in der Steiermark 60.000 bis 80.000 Menschen direkt oder indirekt von Spielsucht betroffen. Das entspricht etwa sieben Prozent der steirischen Bevölkerung. Kein Wunder, dass die Inanspruchnahme von Einrichtungen, die auf die Prävention und Behandlung von Glücksspielsüchtigen ausgerichtet sind, groß ist. Dennoch sind auch diese von den Einsparungen durch das steirische Doppelbudget gefeit. Hilfe für Spielsüchtige wird künftig wohl schwieriger zu bekommen sein.
Die Plattform 25, die sich mittlerweile aus fast 600 Vereinen und Organisationen rekrutiert, kämpft seit Monaten gegen die Umsetzung der Pläne der Grazer Landesregierung. Auch der ÖGB hat sich mittlerweile dem Protest angeschlossen. Yvonne Seidler und Gerhard Zückert, Sprecherinnen der Protestplattform, verweisen auf eine Reihe alternativer Einsparungsmöglichkeiten. Unter anderem wird von ihnen eine schon lange überfällige Verwaltungs- und Strukturreform gefordert. Doch diesbezüglich lassen SPÖ und ÖVP keine großen Ambitionen erkennen.
Mittlerweile haben Landeshauptmann Franz Voves und Stellvertreter Hermann Schützenhöfer offensichtlich auf Druck der anhaltenden Proteste einen Teil der Einsparungen zurückgenommen. Bei 21 Millionen Euro, die in den nächsten beiden Jahren allein im Behindertenbereich eingespart werden sollen, fällt ein Millionenbetrag im einstelligen Bereich jedoch nicht ins Gewicht. Umso mehr Unverständnis verursacht der Umstand, dass das Land keinerlei Einsparungen bei Events, wie der Ski-WM in Schladming, vorsieht. Auch die "Air Power" Flugshow, ist von keinerlei budgetären Kürzungen betroffen. Das zweitägige Spektakel, das schon allein aufgrund seiner Umweltverträglichkeit zu hinterfragen ist, verursacht jährlich Kosten von vier Millionen Euro. 800.000 Euro entfielen davon 2009 auf das Land.