Wenn die Regierung nicht einheitlich hinter den Sparplänen steht, wie soll dann das Volk Geschlossenheit zeigen und sagen: "Das Fakelaki-Kuvert mit dem Bestechungsgeld nehme ich nicht an. Und nein, ich fülle es auch nicht mehr auf?"
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Hinter der tiefen Erschütterung verbirgt sich die Hoffnung, dass sich Griechenland vom Klientelismus lösen könnte. Denn: Auch wenn die Minderheit auf Athens Straßen einen anderen Anschein erweckt, weiß der Großteil der Bevölkerung durchaus, dass das Land reformiert werden muss. Sie will den Staat als Sache der Öffentlichkeit und nicht mehr als Instrument und Geheimkassa einer Führungsklasse betrachten.
Ministerpräsident Giorgos Papandreou von der sozialistischen Pasok-Partei genießt noch beträchtliche Rückendeckung (siehe Artikel rechts). Die wütenden Demonstranten auf den Straßen sind vielfach Angestellte im öffentlichen Dienst, die keinen Beamtenstatus haben und denen ein Rausschmiss ohne große Wohltaten droht.
In Griechenland wird regelmäßig gestreikt, sobald jemandem etwas nicht passt. Die Gefahr, dass solche Streiks wochenlang durchgezogen werden, ist dennoch gering. Das liegt nicht nur am geringen Streikbudget der Gewerkschaften. Den hellenischen Belegschaftsvertretern wird generell wenig Macht eingeräumt. Ähnlich wie bei der realitätsfernen kommunistischen Oppositionspartei besteht ihr Programm primär aus Ablehnungsparolen ohne Ziele und Vorschläge.
Nach den Todesfällen werden die Gewerkschaften eine Eskalation überdies tunlichst vermeiden, um nicht für weitere Opfer verantwortlich gemacht zu werden. Denn in dem Mittelmeerstaat werden aufgestaute Frustrationen oft brutal öffentlich ausgelebt. Im Dezember 2008 starb ein 15-Jähriger bei Schüler- und Studentenprotesten durch eine Polizeikugel. Wochenlange blutige Straßenschlachten waren die Folge.
Noch mehr Unruhen würden dem Land die Lebensader Tourismus abdrücken. Auch werden sich die Aufmüpfigen in Tagen des Sparens bald zurück an ihre Arbeitsplätze begeben müssen, um ihre private Situation absichern zu können.
Bleibt noch die Volkspartei, die öffentlich - freilich ohne Gegenvorschläge - gegen die gesetzliche Absegnung des Sparpakets poltert. Papandreous Vorhaben, auch die Opposition zur Zustimmung zu bewegen, dürfte scheitern. Eine Ablehnung ist aus Sicht von Experten jedoch nur als politisches Spiel zu werten. In Wirklichkeit hätten beide Parteien (als die dominierenden Klientelverbände) begriffen: Wenn sie nicht mitmachen, geht das Land den Bach hinunter - und die eigene Chance, sich zu profilieren (oder sich zu bedienen). Diese Plünderungsmentalität ist es, die Papandreou nun in den Griff bekommen muss.
Man erzählt sich schon, dass Kontrolleure vor Arztpraxen eingesetzt werden, um Rechnungsbelege der Patienten zu überprüfen. Ein vielversprechendes Signal. Schließlich hat sich die fehlende Steuermoral über Jahrhunderte in den Köpfen der Griechen festgesetzt. Kontrolle ist ebenso wichtig wie frisches Geld. Denn was bringen saftige Steuererhöhungen, wenn sie wie bisher kaum bezahlt werden?