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Der heute 98-Jährige lebte 15 Jahre lang unbehelligt in Ungarn.
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Budapest. Er soll 1944 gefangene Juden mit der Hundepeitsche oder mit der Faust geschlagen haben. Zu den Opfern, die er regelmäßig quälte, gehörten auch Frauen, Kinder, Greise und Kranke. Jetzt hat die Budapester Staatsanwaltschaft gegen den heute 98-jährigen Laszlo Csatary Anklage erhoben. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher muss spätestens in drei Monaten beginnen. Der Angeklagte hat bisher jede Anschuldigung bestritten.
Csatary war 1944 Kommandant eines Sammellagers für deportierte Juden im damals ungarischen Kassa (heute Kosice, Slowakei). Von dort aus wurden allein zwischen Mai und Anfang Juni 1944 etwa 12.000 Menschen in deutsche Vernichtungslager gebracht, vor allem nach Auschwitz, heißt es in der Anklageschrift. Csatary soll dabei eine Schlüsselrolle gespielt haben, und zwar "mit Absicht".
Als besondere Grausamkeit halten die Staatsanwälte fest, dass Csatary am 2. Juni 1944 für die ohnehin gequälten Deportierten eine lebenswichtige Erleichterung verhindert habe: Die etwa 80 in einen fensterlosen Viehwaggon gepferchten Gefangenen hätten darum gebeten, dass in die Waggonwände Lüftungsschlitze gesägt werden, damit sie unter der tödlichen Sommerhitze weniger leiden. Csatary habe dies abgelehnt. Die meisten ungarischen Juden wurden nach dem deutschen Einmarsch im Frühjahr 1944 in Vernichtungslager gebracht. Es war die massivste und schnellste Deportationsaktion in der Geschichte des Holocaust. Historiker sind sich einig darüber, dass es ohne die Hilfe ungarischer Behörden rein technisch gar nicht möglich gewesen wäre, allein binnen sieben Wochen mehr als 400.000 Menschen zu deportieren. Doch schon vorher herrschte in Ungarn unter Admiral Miklós Horthy ein autoritäres, antisemitisches, mit Nazi-Deutschland verbündetes Regime.
Das Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrum wirft Csatary vor, bereits 1941 die Deportation von etwa 300 Juden in das von den Deutschen besetzte Kamenec-Podolsk in der Ukraine veranlasst zu haben, wo viele von ihnen erschossen wurden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war Csatary nach Kanada geflohen, wo er bis 1997 lebte. Die Kanadier entzogen ihm die Staatsbürgerschaft, weil er bei der Einbürgerung falsche Angaben gemacht hatte. Er zog daraufhin nach Ungarn und lebte bis zum Sommer 2012 unbehelligt in Budapest. Dort ortete ihn das Wiesenthal-Zentrum mit Hilfe britischer Reporter. Er wurde zunächst verhaftet und danach unter Hausarrest gestellt. Schon 1948 war Csatary in der damaligen Tschechoslowakei in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Dieses Urteil wandelte das Oberste Gericht der Slowakei im April dieses Jahres in eine lebenslange Haftstrafe um.