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Späte Einsicht

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Japan und Südkorea legen Streit über Zwangsprostituierte im Zweiten Weltkrieg bei - die Opfer wurden nicht gefragt.


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Tokio. Eine Einmalzahlung, ein Entschuldigungsbrief und die Absicht, ein Mahnmal zu entfernen - das sind die Kernelemente der am Montag getroffenen Übereinkunft von Japan und Südkorea zu einem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt. Im Zweiten Weltkrieg hatte die japanische kaiserliche Armee Frauen in Soldatenbordellen zur Prostitution gezwungen, darunter auch Koreanerinnen. Man habe nun eine "finale und irreversible" Lösung gefunden, erklärten die Außenminister Südkoreas und Japans vor Journalisten in Seoul. Der japanische Vertreter Fumio Kishida sprach von einem "historischen und wegweisenden Abkommen". Opfer und ihre Sympathisanten waren enttäuscht.

Vor 50 Jahren hatten Südkorea und Japan ihre diplomatischen Beziehungen normalisiert. Doch das Verhältnis blieb schwierig. Zu tief waren die Wunden, die die japanische Kolonialherrschaft in Südkorea von 1910 bis 1945 hinterlassen hatte. Hinzu kamen territoriale Konflikte. Die größte Hürde, wie die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye einmal sagte, sei jedoch die Frage der euphemistisch als "Trostfrauen" bezeichneten Sexsklavinnen. Bis zu 200.000 Frauen, die meisten aus Ostasien, waren gegen ihren Willen oder unter falschen Versprechungen in "Troststationen" verschleppt worden. Dort zwangen japanische Soldaten die Frauen zum Sex.

Der japanische Premierminister Shinzo Abe sagte am Montag: "Die Übereinkunft wird den beiden Ländern erlauben, zusammenzuarbeiten und in eine neue Phase ihrer Beziehungen einzutreten." Auch die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye drückte ihren Wunsch nach einem Neubeginn der bilateralen Beziehungen aus. Die beiden hatten am Montag telefoniert. Die gemeinsame Erklärung der Außenminister vom Montag klingt zunächst vorwärtsschauend, bleibt aber in vielen Punkten vage. "Die Angelegenheit der Trostfrauen, mit Beteiligung des damaligen japanischen Militärs, war ein schwerer Affront gegen die Ehre und Würde der Frauen", heißt es. Details bleiben aus, die Übernahme einer juristischen Verantwortung erst recht. Man spürt, wie erbittert beide Seiten um den Wortlaut gerungen haben müssen. Zwölf Verhandlungsrunden waren nötig.

Vages Schuldeingeständnis

Wer Worte der Entschuldigung sucht, findet sie: "Als Premierminister Japans drückt Abe von Neuem seine aufrichtigste Entschuldigung und sein Bedauern gegenüber all den Frauen aus, die unermessliche und schmerzhafte Erfahrungen gemacht und unheilbare physische und psychologische Wunden als Trostfrauen erlitten haben." Allerdings stehen diese Worte nicht in direktem Zusammenhang mit der japanischen Schuld. Das kritisieren auch Opfervertreter. Diese empfinden das Abkommen als Vertrauensbruch. Eine Opferorganisation schrieb in einer Erklärung, dass die Diplomaten gemeinsame Sache gemacht hätten und die Übereinkunft die Hoffnung der Opfer und der Öffentlichkeit betrüge. Lee Yong-soo, eine von 46 noch lebenden Betroffenen in Südkorea - die meisten sind Ende 80, Anfang 90 -, sagte der Zeitung "Korea Times": "Es scheint, dass sich weder die eine noch die andere Regierung für die Opfer interessiert."

Zur Unterstützung dieser Frauen will Tokio nun einmalig eine Milliarde Yen in einen Hilfsfonds einbezahlen, den Südkorea aufsetzt. Die Initiative ging von Japan aus, das bekannt ist für seine "Scheckbuchdiplomatie". Ursprünglich wollte es nur umgerechnet 760.000 Euro - ein Zehntel der jetzigen Summe - bezahlen. Mit dem Geld wolle man die psychischen Schmerzen der betroffenen Frauen heilen, sagte der japanische Außenminister Fumio Kishida. Zudem sollen die Frauen einen Entschuldigungsbrief von Premier Abe bekommen. Wenn die Umsetzung gelinge, wollen sich beide Nationen verpflichten, einander nicht mehr international, etwa vor der UNO, anzugreifen.

Zum Stolperstein könnten die Entfernung eines Mahnmals in Form eines kleinen Mädchens vor der japanischen Botschaft in Seoul werden. Regelmäßig finden dort Proteste gegen Japan statt. Seoul erklärte, man wolle mit Vertretern der Bürgerinitiative sprechen, die die Statue aufgestellt hatten. Doch schon im Vorfeld gab es heftige Gegenreaktionen: Die Zeitung "Hankyoreh" schrieb, die Statue zu entfernen würde in Südkorea als erniedrigendes Zugeständnis angesehen.

Das Abkommen zeigt auch den Einfluss der USA: Barack Obama hatte Abe und Park immer wieder dazu animiert, ihre Animositäten beizulegen. Vor dem Hintergrund der erstarkenden Volksrepublik China sind die Amerikaner an guten Beziehungen zwischen den wichtigsten Bündnispartnern in Asien interesiert. Erst Anfang November, über drei Jahre nach ihrem jeweiligen Amtsantritt, kamen Abe und Park zu einem ersten Gipfeltreffen zusammen. Damals versprachen sie, die Sexsklavinnen-Frage bis Jahresende zu lösen.

Nie verheilte Wunden

Die Politiker und Diplomaten beider Länder hoffen, alsbald diese Frage "ad acta" legen zu können und ihre lange mehr als angeknacksten Beziehungen - nicht zuletzt in wirtschaftlicher Hinsicht - wieder zu kitten. Bei Japan kommt hinzu, dass es sein international angeschlagenes Image wieder verbessern möchte. Abe gilt als besonders nationalistischer und zugleich revisionistischer Politiker, dem häufig vorgeworfen wird, dass er Japan von der Kriegsschuld reinwaschen wolle.

Ob das Abkommen die Gemüter auf beiden Seiten beruhigt, wird die Umsetzung zeigen. Es dürften einige Gespräche mit den Opfern nötig sein, um einen allzu lauten Aufschrei in Korea zu verhindern. Direkt nach dem Abkommen sagte die Betroffene Lee Yong-soo: "Wir wollen kein Geld. Die, die die Verbrechen begangen haben, müssen dafür offiziell und juristisch die Verantwortung übernehmen." Die hochbetagte Seniorin sagte: "Ich werde kämpfen bis zu dem Tag, an dem ich sterbe."