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Späte Einsicht Argentiniens

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Letztes Wochenende wurde Bundeskanzler Gusenbauer von der argentinischen Präsidentin Fernández de Kirchner in der "Casa Rosada" empfangen. Ein Anlass zur Reflexion.


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Wie sich die Bilder gleichen. Vor kurzem konnte ich in der "Wiener Zeitung" im Vorfeld des Besuches des französischen Präsidenten Sarkozy von einer späten Genugtuung Frankreichs als Urheber der EU-Sanktionen des Jahres 2000 gegen die österreichische Bundesregierung berichten. 14 Tage später habe ich erneut Gelegenheit, auf eine ähnliche späte Einsicht Argentiniens hinzuweisen.

Als ehemaliger Rechtsberater der Argentinischen Botschaft in Wien ist es für mich eine besondere Freude, feststellen zu können, dass sich offensichtlich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nun wieder völlig normalisiert haben. Was war eigentlich der Grund für die Verstimmung?

Nachdem der argentinische Botschafter in Wien, Juan Carlos Kreckler, am 4. Oktober 1999 seinem Außenministerium in einer vertraulichen Depesche eingemeldet hatte, dass Landeshauptmann Haider "zwar ein Populist, aber kein Neonazi" sei, eröffnete das argentinische Massenblatt "Página 12" Mitte Februar 2000 eine beispiellose Medienkampagne nicht nur gegen Botschafter Kreckler, sondern auch gegen Österreich. Am 17. Februar wurde Botschafter Kreckler durch den argentinischen Staatspräsidenten Fernando de la Rúa zur Berichterstattung nach Buenos Aires einberufen und die diplomatischen Beziehungen zu Österreich auf ein strikt "technisches" Niveau herabgestuft. Präsident de la Rúa verschob in der Folge auch den Zeitpunkt der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des österreichischen Botschafters in Argentinien, Yuri Standenat, und ließ verlauten, dass es nicht so bald zur Wiederbesetzung des Botschafterpostens in Wien kommen werde. Die "Neue Zürcher Zeitung" kommentierte am 6. März 2000 diese Vorgänge dahingehend, "dass Argentinien in der Schärfe seiner Sanktionen gegen Österreich nur gerade hinter jenen Israels zurücksteht".

Argentinien, als damalige Pro-tempore-Präsidentschaft im Mercosur, einer wirtschaftlichen Integrationszone zwischen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay - samt Chile und Bolivien als assoziierte Staaten - ging noch einen Schritt weiter und rief den seit 1996 im Mercosur bestehenden "Mechanismus der Konsultation und politischen Konzertierung" an.

Kollektives Monitoring

Dies hatte zur Folge, dass die sechs Staaten den formellen Beschluss fassten, "die aktuellen Vorgänge in Österreich mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen". Damit unterlag Österreich einem kollektiven Monitoring dieser Länder. Am 23. Februar 2000 teilte der damalige argentinische Außenminister Rodríguez Giavarini der österreichischen Außenministerin Bettina Ferrero-Waldner mit, "dass der Mercosur sich von jedem Rassismus und Nazismus, aber auch von jeder Fremdenfeindlichkeit strikt distanziert".

Zum Glück sind der österreichischen Öffentlichkeit diese diplomatischen Grobheiten nicht mitgeteilt worden, sie hätte sich sonst sehr gewundert, wieso sich eine Staatengruppe, in der bis vor kurzem noch brutale Militärregime an der Macht waren, anmaßen konnte, Österreich demokratiepolitisch zu observieren. Manchmal hat mangelnde Öffentlichkeitsarbeit offensichtlich auch ihr Gutes. Dass es sowohl im Fall Frankreichs als auch Argentiniens acht Jahre gedauert hat, bis es zu einer Normalisierung der Beziehungen gekommen ist, belegt einmal mehr, wie schwer und vor allem langwierig es ist, diplomatisch einmal verlorenes Terrain wieder aufzuholen. Daher sollte man sich in internationalen Beziehungen vor vorschnellen Schritten hüten. Im Fall der EU-Sanktionen wurde dieser Rat aber nicht beherzigt.

europarecht@wienerzeitung.at