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Am 21. Dezember würde der frühere Bundespräsident Kurt Waldheim 100 Jahre alt.
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Seit 1998 hängt sein Porträt wieder in der Eingangshalle des Hauptquartiers der Vereinten Nationen in New York. 1986 war es entfernt worden, als im Zuge einer von führenden SPÖ-Politikern miteingefädelten und vom World Jewish Congress (WJC) quasi zu einer weltumspannenden öffentlichen Erregung aufgeheizten Medienkampagne irgendein Fanatiker (oder Gedungener) ein Hakenkreuz auf die Leinwand des Ölgemäldes gekratzt hatte. Aufwallungen und Auseinandersetzungen um Kurt Waldheims Vergangenheit hatten noch an Schärfe zugenommen, als US-Justizminister Edward Meese den - trotz oder gerade wegen der Kampagne - zum österreichischen Bundespräsidenten Gewählten 1987 auf die "Watchlist" setzte, was ein Einreiseverbot nach sich zog.
Waldheim hat darunter gelitten. Sein gesamtes Wirken als österreichisches Staatsoberhaupt (1986 bis 1992) war von der Affäre überschattet. Zu Beginn seiner Amtszeit sei es "zu einer Form der politischen Auseinandersetzung gekommen, die in diesem Land nie wieder passieren darf", sagte er später und fügte bedauernd hinzu, "unter dem Druck massiver und für mich vielfach verletzender Angriffe nicht immer jene Worte gefunden zu haben, die meinem Leben und meinen Gefühlen, dem Schicksal meiner Generation und meiner Heimat, aber auch der Größe der Verbrechen von damals gerecht wurden".
Ein gefälschtes Dossier
Dennoch war es eine Genugtuung für ihn, dass er - spät, aber doch - durch Bücher amerikanischer Sachkenner rehabilitiert wurde: John R. Mapothers "Wie man auf die Watchlist kommt" (1997) und Harold H. Tittmanns "Die Verteufelung. Eine Dokumentation der US-Rufmordkampagne gegen Waldheim" (2001). Beide Autoren führten jeweils den akribischen Nachweis, dass Waldheim zu Unrecht auf die Liste gesetzt worden war. Schlimmer noch: Das dem Justizministerium zuarbeitende Office of Special Investigation (OSI) - der WJC-Ermittler Eli Rosenbaum wurde später sogar OSI-Direktor - wusste von der Fragwürdigkeit der Quellen, etwa des berüchtigten, geradezu üblen und von Medien geradezu aufgesaugten "Odluka-Dossiers" aus der Desinformationsabteilung des Tito-kommunistischen Geheimdienstes UDBA (dabei handelte es sich um ein Konvolut gefälschter Dokumente vom 18. Dezember 1947, die Jugoslawien an die Kriegsverbrecherkommission in London übermittelt und auch in Verhandlungen mit dem österreichischen Außenminister Karl Gruber über jugoslawische Gebietsansprüche in Südkärnten ins Spiel gebracht hatte, um dessen Sekretär Waldheim zu diskreditieren).
Erst freiwillig, dann eingezogen
Waldheims junge Jahre glichen der Jugend vieler seiner Zeitgenossen. Am 21. Dezember 1918 als Sohn eines Lehrers, der den vormaligen Familiennamen Vaclavec hatte eindeutschen lassen, in St. Andrä-Wördern in Niederösterreich geboren, meldete er sich nach der Matura in Klosterneuburg als Freiwilliger zum Militärdienst im Bundesheer und diente als Kavallerist in Stockerau. Einem Jusstudium ging von 1937 bis 1938 der Besuch der Wiener Konsular-Akademie (heute Diplomatische Akademie) voraus - mit dem Ziel, die diplomatische Laufbahn einzuschlagen.
Wie die meisten "Ostmärker" wurde Waldheim nach dem "Anschluss" zur Wehrmacht eingezogen, nahm an der Besetzung des Sudetenlandes teil und sah - als Dolmetscher und Ordonnanzoffizier im Stab der Heeresgruppe E - diverse Kriegsschauplätze, vornehmlich auf dem Balkan. 1944 bekam er Urlaub, um das Studium in Wien (mit der Promotion zum Dr. iur.) abzuschließen und Elisabeth Ritschel zu ehelichen, die er an der juristischen Fakultät der Universität Wien kennengelernt hatte und mit der er 63 Jahre verheiratet sein sollte; aus der Ehe mit ihr (Elisabeth Waldheim starb am 28. Februar 2017 im 95. Lebensjahr) gingen drei Kinder hervor. Und bei Kriegsende schlug sich der Oberleutnant Kurt Waldheim von Triest aus nach Baden bei Wien zu seiner Familie durch.
"Stille, präventive Diplomatie"
Noch 1945 trat er in den diplomatischen Dienst der neu entstandenen, aber bis 1955 besetzten (und daher im politischen Handeln eingeschränkten) Republik Österreich ein und landete - über die politische Abteilung des Außenamtes - direkt an der Seite von Außenminister Karl Gruber als dessen Sekretär. Später nahm Waldheim an den Verhandlungen zum Staatsvertrag (1955) teil, wurde Botschafter in Kanada und vertrat Österreich in der UNO.
1968 berief Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP) den Parteifreien zum Außenminister. "Stille, präventive Diplomatie" kennzeichnete später Waldheims Wirken als UN-Generalsekretär, das ihn zwischen 1972 und 1981 von New York aus an die Krisenherde des Weltgeschehens führte: Namibia, Südafrika, Angola, Bangladesch, Vietnam, Zypern oder Nahost. Sein ehrliches und weithin geschätztes Bemühen um Streitbeilegung und Konflikteindämmung trug freilich angesichts der Stellvertreterkriege, die im Schatten des Ost-West-Gegensatzes geführt wurden, nicht immer und nicht überall Früchte.
Der Zorn der USA
Waldheim verärgerte die US-Regierung, als er sich gegen die Bombardierung von Deichanlagen in Nordvietnam wandte. Gleichermaßen zog er sich den Zorn Israels und der USA zu, als er Jassir Arafats Auftritt vor der UN-Vollversammlung verteidigte. Die Auswirkungen sollte der angehende Pensionär, dem (wegen Chinas Veto) die angestrebte dritte Amtszeit am East River versagt blieb, allerdings erst zu spüren bekommen, als ihn die ÖVP, für die er in der Bundespräsidentenwahl 1971 gegen Franz Jonas (SPÖ) schon einmal - allerdings erfolglos - ins Rennen gegangen war, abermals als Präsidentschaftskandidaten aufstellte.
Gegen den Parteifreien traten führende SPÖ-Politiker, die erstmals seit 1945 den Einzug eines Bürgerlichen in die Hofburg fürchten mussten, und ihnen nahestehende publizistische Organe besagte Hetzkampagne los. Das leider nicht immer geschickt agierende, aber von 53,6 Prozent der Österreicher trotzig gewählte neue Staatsoberhaupt sah sich in den Mittelpunkt ehrenrühriger Attacken des WJC gerückt. Selbst der Befund einer internationalen Historikerkommission, dass Waldheim keinesfalls persönlich in Kriegsverbrechen, geschweige denn in Judendeportationen verwickelt gewesen sei, konnte das nicht verhindern. Die Affäre überdauerte seine gesamte Amtszeit.
Waldheim trat zwar nicht zurück, 1992 aber auch nicht noch einmal an - obwohl das möglich gewesen wäre. Durchaus auch höchst selbstkritisch, da er selbst einst als SPÖ-Grande an der Kampagne beteiligt war, konnte man die Bekundung des damaligen Nationalratspräsidenten Heinz Fischer 1992 in der Bundesversammlung verstehen, wonach "dem Menschen und dem Bundespräsidenten Unrecht zugefügt wurde". Fischer war als späterer Bundespräsident auch eine der letzten politischen Persönlichkeiten, die seinen Vorvorgänger Waldheim noch bei Bewusstsein sah und mit ihm auf dessen bewegtes Leben zurückblickte, das 89 Jahre währte. Am 14. Juni 2007 verstarb Waldheim im Kreise seiner Familie.
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