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Späte Kampfansage an Faschisten-Partei

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Lange schwieg Premier Samaras, nun geht er gegen die Goldene Morgenröte vor.


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Athen. Durchsuchungen, Telefonabhörungen, Festnahmen: Nach dem bisher laschen Umgang mit den Rechtsextremen vollzieht die Athener Regierung unter dem konservativen Premier Antonis Samaras eine Kehrtwende. Anlass: Der offenbar politisch motivierte Mord an dem linksgerichteten HipHop-Rapper Pavlos Fyssas Mitte voriger Woche, mit dem die Goldene Morgenröte in Verbindung gebracht wird. Hinter Samaras’ plötzlich hartem Durchgreifen gegen die Rechtsaußen-Partei steckt aber vor allem eines: politisches Kalkül.

"Diese Regierung ist fest dazu entschlossen, den Nazi-Nachfahren nicht zu erlauben, unser gesellschaftliches Leben zu vergiften, verbrecherische Taten zu verüben und die Fundamente unseres Landes, der Geburtsstätte der Demokratie, zu untergraben", so Samaras. Der konservative Athener Minister für Bürgerschutz, Nikos Dendias, sagte, die Regierung stehe für eine "Null-Toleranz-Politik gegen Neonazis". Unmittelbar nach dem Fyssas-Mord schickte Dendias 32 Akten über in der Vergangenheit verübte Straftaten mit mutmaßlich rassistischen Motiven an die Staatsanwaltschaft. Sie leitete umgehend Ermittlungen darüber ein, ob in der Causa Goldene Morgenröte der Straftatbestand der "Bildung einer kriminellen Organisation" erfüllt sei. Die zentralen Fragen: Ist die Partei eine kriminelle Organisation? Gibt die Parteispitze Mitgliedern konkrete Anweisungen, Straftaten zu verüben? Sind Parteimitglieder in bandenmäßige Erpressungen involviert? Weist die Partei paramilitärische Strukturen auf? Stellt sie eine Gefahr für die Demokratie dar? Den Morgenröte-Funktionären drohen Freiheitsstrafen von mindestens fünf Jahren.

Viele Sympathisanten bei Polizei und Armee

Kopfzerbrechen bereitet der Athener Regierung derweil der als unstrittig geltende Umstand, wonach rund die Hälfte der landesweit rund 50.000 Polizisten sowie weite Teile der Militärangehörigen zum harten Kern der Morgenröte-Wähler zählen dürften. Aktive Elite-Soldaten sollen Morgenröte-Mitglieder sogar ausbilden. Die Regierung will dem nicht mehr tatenlos zuschauen. Schon sind mehrere hochrangige Polizisten ersetzt und versetzt worden, um die "Objektivität der Untersuchungen" zu gewährleisten, wie dazu aus Athener Regierungskreisen verlautet.

"Flucht nach vorn -ein politisches Kalkül"

Harsche Kritik an dem abrupten Sinneswandel von Samaras, der bisher eine "Theorie der zwei Ränder" propagierte, wonach Griechenlands erstarkende Linke mit den Rechtsextremen gleichzusetzen ist, kommt von der Opposition. "Die Regierung hat die kriminellen Aktivitäten der Goldenen Morgenröte lange Zeit geduldet. Ich fürchte, hinter ihrem jetzigen Eifer stecken politische Absichten", sagte Panagiotis Lafazanis von der linken Oppositionspartei Syriza. Erst unlängst habe der Sparbefürworter nicht einmal vor einem Flirt mit den Rechtsextremen zurückgeschreckt, um nach den nächsten Wahlen notfalls eine "rechte Allianz" zu bilden. Jetzt ergreife Samaras die Flucht nach vorne. Mit Blick auf bevorstehende neue Sparmaßnahmen ziehe er dabei auch die Ausrufung von Neuwahlen in Erwägung.

Morgenröte-Chef Michaloliakos sieht das Treiben der Regierung jedenfalls gelassen. "Das Gerede, dass wir eine kriminelle Organisation seien, dauert schon zehn Jahre." Für den "Krieg", der gegen ihn und seine Mitstreiter geführt werde, hatte der bullige Parteiführer auch eine Antwort parat: "Wir sind in den Umfragen stark."

Harte Hand gegen die Neonazis hin, vorgezogene Neuwahlen her: Offenbar richtet Samaras seinen Blick nicht zuletzt auf die im Mai stattfindenden Kommunalwahlen in Hellas. Die Goldene Morgenröte hat bereits angekündigt, im Kampf um das wichtige Athener Bürgermeisteramt seinen Abgeordneten und Parteisprecher Ilias Kasidiaras ins Rennen zu schicken. Offenbar mit guten Chancen: Kasidiaris, der im vorigen Frühjahr mit seiner live im Fernsehen übertragenen Ohrfeigen-Attacke gegen eine Kommunistin weltweit Schlagzeilen machte, läge einer jüngsten Umfrage zufolge im ersten Wahlgang mit 18,9 Prozent der Stimmen auf Rang zwei - knapp hinter Bürgerschutz-Minister Dendias.