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Späte Liebe erweckte SPD wieder zum Leben

Von Klaus Huhold

Politik

Der spröde Olaf Scholz hat die SPD nach oben geführt, die nun den Kanzleranspruch stellt.


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Die Hoffnung verlieh Flügel: Plötzlich sind sie alle in der SPD für den Kanzlerkandiaten Olaf Scholz gelaufen, die alten Parteigranden, die Quereinsteiger und die Jungsozialisten. Und es gab gefühlt keinen einzigen Funktionär, der nicht den Medien erzählte, wie sehr sich die Stimmung gegenüber der Partei gewandelt habe, dass sie nun wieder mehr Zuspruch erfahre und mehr Leute bei den Wahlständen stehen bleiben würden.

Das plötzliche Umfragehoch hat die Partei, die schon totgesagt war, in eine Euphorie versetzt.
Und tatsächlich: Die SPD hatte laut ersten Hochrechnungen rund 25 Prozent der Stimmen erhalten, der rote Balken ist damit im Vergleich zum Votum 2017 (20,5 Prozent) gewachsen. Generalsekretär Lars Klingbeil leitete daraus bereits einen Anspruch ab: "Olaf Scholz soll Kanzler werden", sagte er gleich nach den ersten Prognosen. Und auch Scholz selbst verkündete, dass die Wähler für einen Wechsel und ihn als Kanzler gestimmt hätten.

Dabei war es bei vielen Genossen eine späte Liebe, die sie zu Olaf Scholz entdeckt hatten. Gerade die jungen Sozialdemokraten, die sogenannten Jusos, rund um ihren damaligen Vorsitzenden Kevin Kühnert hatten noch vor fast zwei Jahren die Wahl von Olaf Scholz zum Parteivorsitzenden verhindert. Zu wenig progressiv, zu sehr große Koalition und Hartz IV war der Finanzminister vielen in der Partei. Er zählte zu den Politikern, die laut Norbert Walter-Borjans, den die Parteilinke gemeinsam mit Saskia Esken auf den Vorsitz-Thron hievte, die SPD in die "neoliberale Pampa" geführt hätten.

Derselbe Walter-Borjans hatte übrigens auch die Idee ins Spiel gebracht, dass die SPD wegen ihrer schwachen Umfragewerte überhaupt keinen Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt. Das hielten schon damals viele in der Partei für "Wahnsinn", und einer war damit gar nicht einverstanden, weil er schon seit Jahren diese Kandidatur im Auge hatte: der beharrliche Olaf Scholz.

Der spröde Finanzminister wurde ungewöhnlich früh, nämlich bereits im August 2020, als Kanzlerkandidat nominiert. Und mit Kühnert stellte sich ausgerechnet der wahrscheinlich parteiintern bisher einflussreichste Gegner von Scholz hinter den Hanseaten, rief zur Geschlossenheit auf und warnte vor "destruktiver Kritik".

Tatsächlich blieben die Reihen dicht geschlossen. Und der frühere Hamburger Bürgermeister Scholz führte den Wahlkampf mit langem Atem, verzichtete auf große Überraschungen, sondern setzte auf Verlässlichkeit und Seriosität als Markenkern. Er präsentierte sich sogar, obwohl SPD-Politiker, als derjenige, der Merkels Erbe am besten fortsetzen kann. Der erfahrene Wahlkämpfer überstand im Gegensatz zu seinen Konkurrenten die vergangenen Monate, bei denen die Kandidaten permanent von Kameras (und seien es nur solche von privaten Smartphones) beobachtet werden, ohne gröberen Schnitzer.

Und er gruppierte seinen Wahlkampf um ein paar Kernbotschaften: Höhere Steuern für Superreiche, bezahlbares Wohnen, ein höherer Mindestlohn und sichere Renten.

Fraglich, ob die Reihen geschlossen bleiben

Die entscheidende Frage bei der SPD lautet nun freilich, ob die Partei weiterhin diese Geschlossenheit zeigen wird – oder ob nun erst wieder Konfliktlinien aufbrechen. Klar ist: Scholz hat eine schon totgesagte Partei wieder wachgekriegt, womit auch die Vertreter einer pragmatischen Politik, die in die Mitte und ins Bürgertum ausstrahlt, nun Rückenwind haben. Aber generell wird die künftige Bundestagsfraktion, in der etwa viele Jusos sitzen, wohl linker sein als Scholz selbst.

Was nun aber, neben dem Wahlerfolg, den Zusammenhalt stärken könnte: Ein rot-grün-rotes Bündnis, das viele Parteilinke wollen, ist nicht mehr denkbar. Damit steht Scholz der Weg offen, seine Genossen von der Ampel mit FDP und Grünen zu überzeugen, mit der er wohl gut leben könnte. Oder aber die SPD erwärmt sich noch einmal für eine Große Koalition. Bei der würde sie jetzt im Gegensatz zu den vergangenen vier Jahren eine wesentlich tragendere Rolle spielen. Aber generell hat diese Variante nicht den besten Ruf – in Deutschland ganz allgemein und in der SPD im Speziellen.

Trotz des guten Abschneidens könnte aber auch der Gang in die Opposition drohen. Die pragmatische Mitte, die Scholz so gerne besetzt, würde dann die Union als Kanzlerpartei bespielen. In diesem Fall würde sich die SPD wohl als Gegenentwurf zur Regierung verstehen – und ihr linkes Profil wieder schärfen.

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