Neue Verfassung sieht umfassende Befugnisse für den Präsidenten vor. | Budapest. Nicht wenige behaupten, die aktuellen Beratungen über eine grundlegende Reform der ungarischen Verfassung seien eine Farce, weil der fertige Entwurf Ministerpräsident Viktor Orban längst vorliege. Diese Kritiker sehen sich jetzt durch einen Bericht des Internetportals "Vasarnap hirek" bestätigt.
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Das Medium beruft sich auf Informationen von Abgeordneten, wonach es sich bei einem online veröffentlichten "Arbeitspapier" des parlamentarischen Verfassungsausschusses um die endgültige Fassung der neuen Verfassung handle, selbst wenn bei einigen Passagen noch eine A- und B-Version angeführt sei. Das kommt insoweit überraschend, als die Regierung erst Mitte Oktober eine Homepage vorgestellt hatte, über die sie mit den Bürgern über die Verfassungsreform kommunizieren und ihre Anregungen in die Beratungen einfließen lassen wollte.
Dem Arbeitspapier zufolge wären eine Rückbesinnung auf Ungarns Historie, eine starke Stellung des Präsidenten und eine schwache Stellung des Verfassungsgerichts für die neue Verfassung charakteristisch, die immer dann geändert werden könnte, wenn zwei Drittel aller Abgeordneten das gutheißen.
In der Präambel soll die Lehre von der Krone des Nationalheiligen und Staatsbegründers Stefan verankert werden. Dabei handelt es sich um ein jahrhundertealtes Rechtskonstrukt, das für die heutige politische Rechte sogar bedeutsamer ist als die Verfassung. Unter Berücksichtigung dieser Lehre sollen sich künftig die tausendjährige Geschichte Ungarns, das Christentum, die historischen Werte der Verfassung und Ungarns Rolle in der Welt im ungarischen Staat ausdrücken.
Neue Institutionen
Der 15. März, der 20. August und der 23. Oktober sollen nationale Feiertage bleiben. Der 23. Oktober, an dem des Volksaufstands von 1956 gedacht wird, wird aber nicht mehr Tag der Dritten Ungarischen Republik sein. Darüber hinaus sollen ein Ober- und Unterhaus das ungarische Einkammerparlament ablösen. Die beiden Kammern würden künftig alle fünf Jahre zur Wahl des Staatspräsidenten zusammentreten. Das Parlament soll umfangreiche Befugnisse an den Präsidenten delegieren können. Bei einer schweren konstitutionellen und politischen Krise wäre das Staatsoberhaupt berechtigt, das Parlament aufzulösen.
Unklar ist die Rolle des Verfassungsgerichts, dessen Rechte vor kurzem schon eine Gesetzesänderung deutlich beschnitten hatte. Seither kann es keine Vorschriften mehr für verfassungswidrig erklären, in denen es um das Budget oder Steuern geht, es sei denn, dadurch würde in Grundrechte eingegriffen. In Zukunft wird das Verfassungsgericht offenbar nur noch rechtliche Konsequenzen fordern können, wenn es Verfassungswidrigkeit feststellt. Es kann dann aber keine Gesetze mehr außer Kraft setzen.