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Späte Sehnsucht nach Vranitzky

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Ideologien sind auf Wanderschaft und wie aus Versand-katalogen abrufbar. Die Standpunkte wechseln mit der Saison: Welche Farbe trägt die SPÖ heute?


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Ein Hexenschuss kommt entweder von links oder von rechts. Die deutschen Sozialdemokraten hat es von links erwischt, die österreichischen von rechts.

Das Elend der SPÖ hat damit zu tun, dass Gemeindebau-Sozialisten so gern FPÖ wählen, während alte sozialdemokratische Werte frei zwischen allen Parteien gehandelt werden. Die Not trifft nicht nur einen überforderten Parteichef und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, sondern die Länderchefs und insbesondere auch den Landeshauptmann des bevölkerungsstärksten Bundeslandes mit den meisten Gemeindewohnungen, Michael Häupl. Phonetisch war das Krisenmanagement eine Woche lang in ganz Österreich zu vernehmen.

Was Gusenbauer und der designierte Parteichef Werner Faymann am Ende wie einen Befreiungsschlag servierten, ist kein Gesprächs- oder Zuhörangebot an die Bevölkerung. Das behauptet nur Gusenbauer zwecks Verbrämung des Umschwungs. Er hat diesen durch Übernahme jenes Standpunktes bereits vollzogen, für den FPÖ, BZÖ und "Kronen Zeitung" seit Monaten trommeln.

Ideologische Inhalte sind mobil geworden, wer sie fassen will, muss hinterherlaufen. Was die FPÖ in Österreich propagiert, ist teilweise wörtlich bei der rechtsextremen NPD in Deutschland abzuschreiben. Die FPÖ verkauft T-Shirts zu je 10 Euro für "Hiergeborene" und "Inländerfreunde" und versucht mit dem Schlagwort der direkten Demokratie die EU aufzutrümmern, weil "Österreich zuerst" kommen soll. Die NPD hätte dafür Platz in einem "Europa der Völker".

Die NPD konstruiert sich eine "Dresdner Schule", die die "Frankfurter Schule" der Linken ablösen soll, stellt das Gegensatzpaar "Demokratie oder EU" auf und will gleich eine "Volksherrschaft", nämlich "Volksabstimmung in allen nationalen Fragen". Was bei der NPD die Globalisierungsfalle ist, kommt beim FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl als trojanisches EU-Pferd daher: "Vieles, was im Gewand der EU auftritt, ist Globalisierung."

Allerdings ist Kickl klug genug, jeden Vergleich mit der NPD von vornherein zu unterbinden: "Die NPD interessiert mich nicht", versichert er und redet nicht darüber. Die FPÖ ist nicht die NPD, sitzt aber am selben rechten Sudkessel.

Von diesem muss neuerdings etwas verstehen, wer die SPÖ verstehen will. Als sich ein sichtlich verärgerter und empörter Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky zu Wort meldete, klang dies wie ein Gruß aus einer versunkenen Zeit, in der die SPÖ Standpunkte hatte. Über die Abgrenzung seiner Partei und auch der Republik Österreich von der Haider-FPÖ ließ Vranitzky auch dann nicht diskutieren, wenn die Erfolgsbelege dieser Haltung ausblieben: Darin zeigte Vranitzkys SPÖ ihr Profil.

Vielleicht aber stellt sich Faymann für seine Partei noch als großes Glück heraus, indem diese in letzter Minute erkennt, in welcher Gesellschaft sie gelandet ist. Denn wie sich der ehemalige Landtagsabgeordnete, Stadtrat, Geschäftsführer und Landesvorsitzende der Wiener Mietervereinigung Faymann mit der "Kronen Zeitung" arrangierte, war schon damals nicht in Ordnung, doch wurde dies als typisch wienerische Mauschelei durchgelassen: "Der Faymann weiß, wie man es macht." Aber jetzt gleich eine ganze Partei und auch die Republik auf diesen Kurs einzuschwören, weil er der Einzige ist, den die SPÖ noch kennt, ist keine bloße Mauschelei mehr.

Dank Faymann hat auch Gusenbauers Kindheitstraum die höchste inhaltliche Ausprägung erfahren. Wohin er auch schaut und was immer er modellieren möchte: überall Sand.