Laut Verkehrswissenschafter hat sich Volksbefragung "danach" schon bewährt.
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Wien. Als Reaktion auf die Parkpickerl-Ankündigungen in Wien reagierte die Opposition am Mittwoch mit vernichtender Kritik, Forderungen nach Neuwahlen und Misstrauensanträgen. Sogar ein Gang zum Verfassungsgerichtshof wurde von der FPÖ angekündigt, sollte nicht direkt über die Ausweitung des Parkpickerls abgestimmt werden können.
Dabei geht die Diskussion am tatsächlichen Thema vorbei, wie Experten am Mittwoch erklärten. Mit Ja-Nein-Fragen, wie sie von der ÖVP gefordert werden, würde
lediglich dem Populismus Tür und Tor geöffnet, erklärte Politikwissenschafter Peter Filzmaier im "Morgenjournal". Freiwillig wolle niemand gerne mehr bezahlen.
Und was den "neuen" Zugang der Grünen zur direkten Demokratie betrifft, so bestimmt eben der Standort den Standpunkt. Jetzt in der Regierung betont Vassilakou, dass direkte Demokratie kein Ersatz für Parlamente sein kann. Noch in Opposition hat das anders geklungen - wenngleich die Grünen bei der Volksbefragung 2010 nicht auf die Idee gekommen sind, die Frage nach einer Citymaut zu beeinspruchen. Dabei wäre diese Frage genau so verfassungswidrig gewesen wie die Ja-Nein-Frage zur Parkpickerl-Ausweitung. Weil eben laut Stadtverfassung nicht über Gebühren abgestimmt werden darf, wie das jetzt von Rot-Grün in den vergangenen Wochen gebetsmühlenartig betont wurde.
Tatsache ist, dass Wien ein Problem mit der Überparkung hat. Ein Nein zur Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung würde demnach keine Verbesserung bringen. Und eine Volksbefragung nach einer gesetzten Maßnahme durchzuführen sei durchaus sinnvoll, wie die Erfahrung im In- und Ausland zeigt, erklärt der Leiter des Institutes für Verkehrswesen an der Boku Wien, Gerd Sammer, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
In Stockholm etwa habe man die Citymaut ein Jahr lang probeweise eingeführt und dann darüber abgestimmt. Ähnlich sei das auch 1992 in Graz mit der Einführung von Tempo 30 in allen Nicht-Vorrangstraßen gewesen, betonte Sammer. Und in beiden Fällen habe sich der eingangs starke Widerstand in eine klare Zustimmung verwandelt.
Zu wenig Information
"Die Frage lautet: Wie bringe ich möglichst viel Information zu den Bürgern? Die Antwort: durch kontrollierte Experimente", meint Sammer. Damit würden viele Ängste beseitigt. Nach aktuellem Stand der Wissenschaft müssen 50 Prozent der Kosten für derartige Maßnahmen in die Kommunikation fließen. "Dann kann man auf Informationsdefizite reagieren und populistische Argumente beseitigen", so Sammer. Auch das aktuelle Nein zur Umweltzone in Graz sei auf Informationsdefizite der Bevölkerung zurückzuführen.
Somit scheint auch die derzeitige Debatte in Wien mehr ein Problem der Kommunikation als ein inhaltliches zu sein. Denn dass die bestehende Parkraumbewirtschaftung gut funktioniert, bestreitet niemand. Dass diese in anderen Bezirken zur Überparkung führt, auch nicht. Hätte man die Ausweitung stärker kommuniziert und als Pilotprojekt angekündigt, über das man später abstimmen kann, wäre vielleicht vieles anders gekommen.