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Später Lorbeer für den "Retortenbaby-Vater"

Von Heiner Boberski

Wissen

Das erste "in vitro" gezeugte Baby wurde im Juli 1978 geboren. | Inzwischen kamen vier Millionen Kinder dank der Methode von Edwards zur Welt. | Stockholm/Wien. Spät, "viel zu spät", so der Wiener Gynäkologe Wilfried Feichtinger, wurde dem britischen Embryologen Robert Edwards nun der Nobelpreis für Medizin zuerkannt. Dies gab das Karolinska-Institut in Stockholm am Montag bekannt. Der Preis ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,09 Millionen Euro dotiert. Ob Edwards, der in einem Seniorenheim wohnt, zur Preisvergabe im Dezember anreist, ist unsicher.


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Der Pionierarbeit von Edwards auf dem Gebiet der Befruchtung im Reagenzglas, der sogenannten In-vitro-Fertilisation (IVF), verdankte als Erste die am 25. Juli 1978 geborene Louise Brown ihr Leben. Inzwischen leben weltweit etwa vier Millionen Kinder, die in der Retorte gezeugt wurden, Zehntausende davon in Österreich. Wie erklärt sich Feichtinger, der 1982 mit seinem Kollegen Peter Kemeter die Geburt des ersten österreichischen IVF-Babys, Slatan Jovanovic, einleitete, dass man Edwards, der am 29. September das 85. Lebensjahr vollendete, erst jetzt den Nobelpreis erhält?

Es waren vielleicht ethische Vorbehalte gegenüber seinen Methoden. Feichtinger: "Edwards war immer ein Vordenker, er hatte Visionen, die den Menschen unheimlich waren: Experimente mit embryonalen Stammzellen, Züchten von Ersatzorganen, neue Möglichkeiten der Krebsheilung, etwa der Leukämie." Edwards habe aber, so Feichtinger, auch erklärt, man müsse ethische Regelungen schaffen.

Unheimlich blieb die IVF vor allem dem Vatikan, wie auch jetzt kritische Reaktionen von dort zeigen. Dagegen hatte seinerzeit auch ein prononcierter Abtreibungsgegner und Katholik wie der verstorbene österreichische Gynäkologe Wolfgang Müller-Hartburg Verständnis dafür, wenn man neue Wege suchte, um den Wunsch nach einem Kind zu erfüllen.

Partner Patrick Steptoe

Seit den 1950er Jahren hatte Edwards die Vision, die IVF könnte helfen, Unfruchtbarkeit zu behandeln. Er entdeckte wichtige Prinzipien der menschlichen Fruchtbarkeit, wie das Ei heranreift, welche Rolle Hormone spielen und wann genau die Eizelle empfänglich für die Befruchtung durch ein Spermium wird.

Ab 1968 arbeitete Edwards dann mit dem Gynäkologen Patrick Steptoe zusammen, der einer der Pioniere der Laparoskopie oder "Schlüsselloch-Chirurgie" war, einer damals ganz neuen und kontroversiell diskutierten Technik. Sie ermöglichte es Steptoe, Eizellen direkt aus den Eierstöcken zu gewinnen. Nach jahrelangen Bemühungen, diese Eizellen wirksam zu befruchten, stellte sich 1978 der Erfolg ein. "Edwards und Steptoe waren damals völlig gleichwertig", sagt Feichtinger, der beide Anfang 1979 in England kennenlernte und dann mit seinen Kollegen von ihnen lernte. Wäre Steptoe noch am Leben - er starb schon 1988 -, würde der Nobelpreis sicher zwischen beiden geteilt. Mit Edwards blieb Feichtinger in freundschaftlichem Kontakt.

Laut Wilfried Feichtinger haben derzeit in Österreich etwa 20 Prozent der Menschen im fruchtbaren Alter Probleme, Kinder zu zeugen oder zu empfangen. Etwa der Hälfte davon könne mittels der IVF, die seit 1978 natürlich weiterentwickelt und verfeinert wurde, geholfen werden. Heute sei Unfruchtbarkeit schon mehr zu einem Problem der Männer als der Frauen geworden. Vor allem Raucher seien mit Mitte 30 nicht mehr so fruchtbar wie mit Mitte 20. "Die Leute lassen sich zu viel Zeit", resümiert Feichtinger.