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Spaziergang am Hafen von Ephesos

Von Eva Stanzl aus der Türkei

Wissen

"Moderner Celsus" unterstützt Ephesos-Grabung mit Stiftung. | Grabungsleiterin Ladstätter: "Ephesos wieder lebendig machen." | Ephesos. Wer über den Hafenkanal nach Ephesos reiste, musste zunächst das Reich der Toten durchqueren.


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Die Meeresbucht der antiken Handelsstadt, einer der ältesten und bedeutendsten Häfen der griechisch-römischen Antike, war in der jüngeren römischen Kaiserzeit bereits verlandet. Ins Hafenbecken gelangten die Schiffe aus aller Welt über einen drei Kilometer langen Kanal, entlang dessen prunkvolle, mit Torbögen, Mosaiken, Dachterrassen und Speisesälen ausgestattete Grabhäuser der eminentesten Ephesier standen. "Ankommende erfuhren so von Anfang an, wer die Reichen und Mächtigen der Stadt sind", erklärt Sabine Ladstätter, die in Kärnten geborene neue Grabungsleiterin von Ephesos und Direktorin des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI), die Positionierung des Friedhofs: "Hier lagen jene begraben, die nicht vergessen werden wollten." Inklusive Mäzene wie der ehemalige Sklave Celsus, Erbauer der heute noch erhaltenen Celsus-Bibliothek.

Verantwortlich für die Grabungen an der Nekropole am Hafenkanal ist der Wiener Archäologe Martin Steskal. Seine Funde erstaunen: "Etwa können wir anhand der Grabbeigaben feststellen, wie und wann sich in den Familien die Religionen änderten - vom griechischen Glauben bis zum Christentum. Auch geben die Gräber Aufschluss über die Ernährung und den Gesundheitszustand der Menschen", sagt er.

Prähistorische Stadt

Die Geschichte der an der türkischen Westküste südlich von Izmir gelegenen Stadt Ephesos reicht neuesten Erkenntnissen zufolge möglicherweise bis 6400 vor Christi. "Das haben Bohrkern-Analysen gezeigt", sagt Barbara Horejs vom ÖAI. Bei Grabungen nahe der antiken Stadt hat die Prähistorikerin Spuren von neolithischen Siedlern aus 6200 bis 6000 vor Christi gefunden - Fundamente, Werkzeuge, Gewichte und Speiseabfälle, die auf ein sesshaftes Volk der Schaf- und Rinderzüchter schließen lassen, das im Handelsaustausch mit den griechischen Inseln stand.

Ephesos, ehemals Hauptstadt der römischen Provinz Asia, erreichte seinen Höhepunkt in der griechisch-römischen Antike und erlebte eine letzte Nachblüte unter der seldschukischen Dynastie der Aydinogullari im 15. Jahrhundert. Die Stadt ist seit 1895 Forschungsplatz österreichischer Archäologie und der Schwerpunkt der heimischen archäologischen Auslandsforschung.

1863 begann der englische Architekt John Turtle Wood in Ephesos mit der Suche nach dem Artemision, einem der sieben Weltwunder. Er stieß auf die Marmorpflasterung des Tempels der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Artemis. Da weitere Funde ausblieben, wurden die Grabungen 1874 eingestellt. Bis Otto Benndorf, erster Direktor ÖAI, Ephesos zum Forschungsplatz heimischer Wissenschaft machte. Seit 1954 wird ohne Unterbrechung in Ephesos gearbeitet. Nach dem veränderten Aufgabenprofil archäologischer Wissenschaft steht heute jedoch nicht mehr die Freilegung der antiken Ruinen, wie seinerzeit des großen Theaters, der Kuretenstraße oder der Celsus-Bibliothek, an oberster Stelle, sondern die systematische Erforschung von rund 8000 Jahren Geschichte der einstigen Metropolis Asiae.

Das Theater wird restauriert: Ab 2015 soll hier wieder gespielt werden. Links unten im Bild die Straße zum Hafen, der weitgehend unerforscht ist - mit Geldern aus der Ephesos-Stiftung könnte demnächst nach Schiffswracks gesucht werden. Foto: Niki Gail

"Ephesos war viel größer als jene Teile der Innenstadt, die heute für Touristen zugänglich sind. Wir stellen uns Fragen der Infrastruktur, wollen mehr über die Versorgung der Häuser mit Fließwasser wissen. Und wir möchten erfahren, wie die Menschen gelebt haben", sagt Ladstätter. In diesem Sinn will die 42-jährige ÖAI-Chefin Häuser der ärmeren Bevölkerungssschichten ausgraben. Und Grabungen starten im bisher kaum untersuchten Hafenbecken, das anhand der Bodenformation nur erahnt werden kann. Gesucht werden Schiffswracks für eine vertiefte Kenntnis des Handels.

Am Hafen herrschte reges Treiben, sagt die ÖAI-Chefin. Ephesos war ein Umschlagplatz für Wein, landwirtschaftliche Güter, Marmor, Edelmetalle, Keramik, Fische, Öle und römische Truppen. Güter, die in Amphoren über die Ägäis gereist waren, wurden direkt am Hafen in kleinere Gefäße umgefüllt, damit sie leichter über Land transportiert werden konnten. Ankommende konnten sich nach der Seereise in der Hafentherme frisch machen für ihre Termine in der Stadt. In einer der Garküchen entlang der stadteinwärts führenden Arkadiane konnten sie einen Snack zu sich nehmen oder sich in der "Schenke zur heiligen Artemis" mit einem Becher Wein erfrischen. "Ich möchte das Hafenbecken wieder lebendig machen, denn ich vermute, dort finden wir das charakteristische Ephesos. Das ergibt eine starke, qualitative Aussage über die Stadt, die mir wichtiger ist als die Sensation von Monumenten", sagt Ladstätter.

Neue Forschungsprojekte

Unterstützer dieses Zeitgeistes in der Archäologie ist der Vorstandsvorsitzende der türkischen Borusan Holding, Ahmet Kocabiyik, der seit Jahren die Restaurierungsarbeiten in der antiken Metropole fördert. Seine neue Stiftung, die am Wochenende in Ephesos präsentiert wurde, ist derzeit mit 1,5 Millionen Euro dotiert. Die Mittel aus der "Ephesos Foundation", die von der Borusan Holding, Kocabiyik selbst und weiteren Sponsoren stammen, sollen Forschungsprojekten zu Gute kommen. Neben dem Hafenbecken und der Nekropole will man die Restaurierung der Tribüne am Artemision und von "Hadrians Tempel" fortsetzen. Zudem soll das Theater wieder benutzbar gemacht und der Marmorsaal im Hanghaus 2, ein palastartiger Wohnbau, weiter restauriert werden. Die Grabung in Ephesos wäre "in diesem Ausmaß ohne private Mittel nicht möglich", erklärte Wissenschaftsministerin Beatrix Karl bei der Präsentation der Stiftung. Das Wissenschaftsministerium unterstützt die Grabungen alljährlich mit einem operativen Budget von 230.000 Euro plus Personalkosten. Inwieweit Ladstätters archäologischer Zugang den Gefallen des türkischen Kulturministers Ertugrul Günay finden wird, muss sich weisen. Dieser hatte bei der Präsentation betont, die Zahl der Besucher von jährlich zwei Millionen verdoppeln zu wollen. Die Masse will wohl imposante Monumente.

Für Ladstätter stellte die Präsentation wohl auch den Endpunkt eines von Intrigen gespickten Wegs zur Grabungsleitung dar, zu dessen Anfang heimische Konkurrenten ihr gerne den Rang abgelaufen hätten und an dessen Ende der turkophilen Archäologin Türken-Feindlichkeit vorgeworfen wurde. Wohl nur mit Passion für ihr Fach stand sie es durch. Sinan Ilhan, Chefrestaurator des Marmorsaals, bringt diese Passion auf den Punkt: "Ich habe tausende Scherben, die ich versuche, wieder zusammenzusetzen. Manchmal sehe ich Traum, wo jede Scherbe hingehört. In der Früh mache ich es genau so wie im Traum - und dann passt es."