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SPD auf Suche nach Rezept gegen Merkel

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Politik

Linker Parteiflügel macht Druck, dass Sozialpolitik mehr betont wird.


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Berlin. Er hat die Kanzlerin zum ersten Mal im Bundestag zum Duell gefordert: Der deutsche SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat Angela Merkel schwere Fehler in der Euro-Schuldenkrise vorgeworfen. Die CDU-Vorsitzende habe zugelassen, dass aus den eigenen Reihen "Mobbing gegen Griechenland" betrieben worden sei. Deshalb gebe es in Europa jetzt viel "zerschlagenes Porzellan". Es war das erste Rededuell, zu dem der ehemalige Finanzminister Merkel forderte, nachdem er Anfang Oktober von der SPD zum Kanzlerkandidaten nominiert worden war. Merkel verzichtete aber in ihrer Regierungserklärung auf direkte Angriffe gegen ihren Herausforderer.

Das Ziel von Steinbrück eint die ganze SPD: Nach der Wahl im nächsten Jahr soll die konservativ-liberale Regierung in Deutschland der Geschichte angehören. Vom Kanzlerkandidaten sind aber nicht alle Sozialdemokraten begeistert. Steinbrück ist weit davon entfernt, die erste Wahl des linken Flügels zu sein. Doch will die SPD ihr Ziel erreichen und mit den Grünen eine Regierung bilden, dann - so sagt Stephan Klecha vom Göttigner Institut für Demokratieforschung - geht es gar nicht so sehr um die Person Steinbrück, sondern auch sehr stark um die Fragen nach Konzepten und Personal, "nach Gesichtern, die nicht schon seit 20 Jahren zu sehen sind". Merkel habe hier in ihrem Kabinett eine "erkennbare Schwäche".

"Man sollte in Steinbrück nicht den Heiland sehen"

Es wird nicht einfach für die SPD. In der jüngst veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa ist die Partei um einen Punkt auf 29 Prozent gefallen - und auch die Zustimmung zu Steinbrück sank: Würde der Kanzler direkt gewählt, stimmten zurzeit 32 Prozent für Steinbrück. In der vergangenen Woche waren es noch 35 Prozent. Merkel käme auf 48 Prozent und stieg damit in der Wählergunst um zwei Punkte. Der "positive Ausschlag" nach der Nominierung Steinbrücks sei wieder verflogen, erläuterte Forsa-Chef Manfred Güllner. Steinbrück war zwar für etliche Deutsche in dem Trio mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und SPD-Klubchef Frank-Walter Steinmeier der beste Kanzlerkandidat. Für Parteienforscher Klecha steht aber fest: "Man sollte in Steinbrück nicht den Heiland der Sozialdemokratie sehen."

Bei der Parlamentswahl im Herbst 2009 war die SPD gar auf 23 Prozent abgestürzt. Die Wähler hatten sie abgestraft für den Weg der Neuen Mitte, der "die Verantwortung der sozialen Misere individuell zugewiesen" habe, wie es der Politologe Franz Walter formulierte. Die Sozialdemokraten betonen seither ihr "soziales Gesicht". Sie wollen wieder jenes Vertrauen zurückgewinnen - das sie, so Walter, in den elf Jahren ihrer Regierungszeit bei den unteren Schichten verloren haben. "Der Einzelne kann sich in der Vielfalt nicht mehr hinreichend auskennen, vermag nicht in jeder Frage kompetent zu entscheiden. Also muss er vertrauen können." Umso schlimmer, "wenn der Vorschuss verspielt ist", schreibt Walter im Buch "Zur Transformation der Sozialdemokratie".

Der linke Parteiflügel fordert daher, die Sozialpolitik zu einem Schwerpunkt des Wahlkampfs 2013 zu machen. Nur mit einem Angebot an die unteren und mittleren Gesellschaftsschichten könne die Wahl gewonnen werden, heißt es in einem Positionspapier. Darin wird gefordert, die Gesetze zur umstrittenen Unterstützung von Langzeitarbeitslosen zur Diskussion zu stellen.

Allerdings, gibt der Parteienforscher Klecha zu bedenken, habe die SPD nicht nur das Problem, zu wenig "links" zu sein. "Die Partei franst an allen Stellen aus." Auch das war bereits spätestens bei der vergangenen Wahl zu sehen: Tausende einst mitunter jahrzehntelange SPD-Wähler wechselten zur Linkspartei oder blieben zu Hause. 900.000 frühere SPD-Anhänger aber gaben 2009 der konservativen Union ihre Stimme. Mit anderen Worten: Wofür die SPD steht, konnten viele nicht nachvollziehen.

Für die SPD sei es essenziell, die Frage zu klären, wie man "den Zusammenhalt der Gesellschaft" organisieren möchte, sagt Klecha. Es geht also darum, die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergehen zu lassen, im besten Fall zu schließen - mithilfe von Steuern, Abgaben oder sozialer Infrastruktur.

Auf ihrem Konvent Ende November will die Partei über ihre Positionen entscheiden. Dabei will die SPD weg vom Image, abgehobene Parteipolitik zu betreiben - und gibt sich bürgernahe: Vorschläge auf die Frage "Was muss in Deutschland besser werden?" können in den nächsten Wochen von jedermann eingereicht werden.