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Magdeburg - Für die Politikwissenschaft ist es bald ein abgeschlossenes Forschungsgebiet - das "Magdeburger Modell". Spätestens nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am Sonntag wird der Versuch der SPD Geschichte sein, sich wechselnde Mehrheiten in den Reihen der Opposition zu suchen. Doch so häufig, wie einst von Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) erhofft, wechselten die Mehrheiten nicht. Seine Minderheitsregierung musste sich seit 1994 fast immer an die PDS als Mehrheitsbeschafferin wenden. Lediglich in Ausnahmefällen wie der Verschärfung des Polizeigesetzes, holte sich die SPD die fehlenden Stimmen bei der CDU.
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Nach acht Jahren sind sich Sozialdemokraten und PDS einig, das "Magdeburger Modell" nicht fortsetzen zu wollen. "Wir mussten uns damals entscheiden, ob wir eigene Maximalforderungen zurückstellen, um das rot-grüne Reformmodell zu unterstützen, oder ob wir durch strikten Oppositionskurs die rot-grüne Koalition platzen lassen und damit selbst eine große Koalition mit den ihr eigenen Betonstrukturen herbeiführen", sagt PDS-Fraktionschefin Petra Sitte zurückblickend. Nun aber fühlt sich die PDS weit genug von der DDR entfernt, um nach Mecklenburg-Vorpommern und Berlin in eine Landesregierung einzutreten. Und auch die SPD will sich die mühsame Mehrheitsbeschaffung für jedes einzelne Gesetzesvorhaben nicht länger aufladen. Denn mehr als einmal stand das "Magdeburger Modell" auf der Kippe.
In solchen Augenblicken schlug die Stunde für zwei junge Männer, die über die Jahre zu Freunden wurden. Die beiden Parlamentarischen Geschäftsführer Jens Bullerjahn (SPD) und Wulf Gallert (PDS) bildeten die Krisenfeuerwehr des "Magdeburger Modells". Wann immer es zwischen den Tolerierungspartnern knirschte, mussten Bullerjahn und Gallert an den Verhandlungstisch. Der stand meist beim Griechen um die Ecke des Landtags, denn beide haben eine Vorliebe für die mediterrane Küche.
Die CDU wurde nicht müde, das Magdeburger Modell heftig zu kritisieren. "Sie tolerieren doch hier keine Minderheitsregierung", stichelte der damalige CDU-Fraktionschef Christoph Bergner in Richtung PDS, "sondern Sie halten sich doch hier eine Regierung, die Sie ganz nach Belieben am Nasenring durch dieses Parlament ziehen." Schützenhilfe bekam Bergner in solchen Einschätzungen auch von der Bundespartei. "Die PDS in Sachsen-Anhalt hat sich nicht zur SPD ins Bett, sondern auf ihren Bettvorleger gelegt", sagte etwa der damalige deutsche Arbeitsminister Norbert Blüm. "Damit hat die PDS eine wichtige strategische Position eingenommen, denn letztlich wird dort entschieden, wann der SPD-Regierungschef Reinhard Höppner aufstehen und wann er sich hinlegen darf."
Im Rückblick auf nunmehr acht Jahre Magdeburger Modell steht eines fest: Minderheitsregierungen bergen nicht zwangsläufig Instabilität in sich. Immerhin zwei Legislaturperioden hat Höppner zunächst mit einer rot-grünen, seit 1998 mit einer rein sozialdemokratischen Minderheitsregierung durchgehalten. Die CDU/FDP-Koalition, die 1990 die erste Landtagswahl klar gewonnen hatte, verschliss dagegen bis 1994 mit den CDU-Politikern Gerd Gies, Werner Münch und Bergner drei Regierungschefs.