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SPD-Parteitag sucht Wege aus dem Stimmungstief: Geht es mit Links?

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Deutsche Sozialdemokraten, die am Abend des 27. September geglaubt hatten, es könne nicht mehr schlimmer kommen, werden von jüngsten Umfragedaten eines Besseren belehrt: Nicht mehr 23 Prozent wie bei der Bundestagswahl, sondern nur noch 21 Prozent der Bundesbürger würden laut ARD-Deutschlandtrend die SPD wählen. Eine Emnid-Umfrage im Auftrag des Fernsehsenders N-TV ergänzt, dass 66 Prozent von 1000 Befragten glauben, dass die SPD Jahre brauchen werde, um sich vom schlechten Wahlergebnis zu erholen.


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Mit einem Parteitag an diesem Wochenende wollen die Sozialdemokraten erreichen, dass man schneller aus diesem Stimmungstief heraustritt. Auf dem Programm stand die Kür des neuen Spitzenteams, dem laut den Emnid-Meinungsforschern allerdings nicht zugetraut wird, eine Führungsrolle zu übernehmen. Gabriel wird nur von 16 Prozent der befragten Deutschen und auch nur von 23 Prozent der SPD-Wähler dazu in der Lage gesehen. Am ehesten wird dem Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier (48 bzw. 67 Prozent) eine solche Führungsrolle zugetraut.

Dieser sagte am Rande des Parteitags, dass er nicht zu denen gehöre, die die Beschlüsse zur Agenda 2010 oder zum Pensionsalter 67 für Fehler hielten, auch wenn dort einzelne Korrekturen angebracht seien.Er machte auch darauf aufmerksam, dass man Wähler nicht nur an die Linkspartei, sondern noch mehr an Schwarz-Gelb und an Nichtwähler verloren habe. Ähnlich wie Steinmeier sehen auch die Befragten der zitierten Umfragen das Heil der SPD in einer Positionierung in der Mitte des Parteienspektrums, nur eine Minderheit hält eine Öffnung nach Links für sinnvoll - unter den SPD-Wählern noch weniger als unter den übrigen Deutschen.

Damit steckt die Sozialdemokratie in einem nahezu unlösbaren Dilemma. Angesichts der unter Gerhard Schröder beschlossenen Arbeitsmarktreformen inklusive Hartz IV und dem Beschluss der Rente mit 67 hat sie vor allem bei den Arbeitnehmern an Glaubwürdigkeit verloren, wie auch viele Delegierten des Parteitags monierten - zumal das Thema soziale Gerechtigkeit, auf das sie sich wieder stärker konzentrieren will, auch von allen anderen Parteien im Mund geführt wird.

Damit fällt es der SPD genau 50 Jahre nach ihrem "Godesberger Programm", mit dem sie sich von der Partei der kleinen Leute zur "linken Volkspartei" wandelte, zunehmend schwerer, sich von anderen Parteien zu unterscheiden. Das sieht auch der neue Parteichef Sigmar Gabriel so: "Der Wähler hat einfach kein klares Bild mehr davon, wofür wir stehen." Das haben die deutschen Sozialdemokraten allerdings mit Gesinnungskollegen im Großteil Europas gemeinsam. Und ein einzelner Parteitag wird an diesem unscharfen Bild wohl auch nichts ändern können.