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SPD will Sarrazin ausschließen

Von WZ-Korrespondentin Christine Zeiner

Europaarchiv

Bundesbank distanziert sich. | Trotz Aufforderung der Politik noch kein Abwahlantrag. | Berlin. Polizeibeamte kontrollieren die Ausweise, hineingelassen wird man gerade noch mit Ach und Krach: Der Saal der Bundespressekonferenz in Berlin, in dem Thilo Sarrazin sein neues Buch vorstellen wird, ist bereits bummvoll.


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"Halts Maul" bekommt der Bundesbank-Vorstand am Montag hier nicht mehr zu lesen. Solche und ähnliche Transparente hatten eine Stunde zuvor Demonstranten vor dem Haus hochgehalten: "Kein Podium für Rassisten und Nazis" stand auf einem. Das Bündnis "Rechtspopulismus stoppen" hatte zur Protestversammlung "Kein Podium für geistige Brandstifter" aufgerufen.

Deutschland wird immer dümmer, ein Grund dafür ist die Zunahme an "muslimischer Migration": Das ist eine der Thesen, die der Sozialdemokrat Sarrazin in "Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen" formuliert. Vergangene Woche war ein Vorabdruck im "Spiegel" erschienen. Der Verlag reagierte auf das Medienecho und ließ die Sperrfrist für Buchbesprechungen fallen. Seither sind Emotionen und Empörung groß, auch bei der Staatsspitze: Sarrazins Äußerungen seien "ausgrenzend, sie machen ganze Gruppen in der Gesellschaft verächtlich", sie seien "vollkommen inakzeptabel", erklärte Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Während Sarrazin noch erklärt, er sehe sich durch die "Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt" und habe keine "dienstlichen Obliegenheiten verletzt", laufen schon die Meldungen zu möglichen Konsequenzen: "Die Bundesregierung sieht das nationale und internationale Ansehen der Bundesbank durchaus beeinträchtigt durch die Äußerungen von Herrn Sarrazin", erklärte ein Regierungssprecher. "Darüber wird sich die Bundesbank Gedanken machen müssen." Die Bundesbank erklärte nach einer außerordentlichen Sitzung, Sarrazins Äußerungen würden dieser "schweren Schaden zufügen". Man werde nach einem Gespräch mit Sarrazin zeitnah über das weitere Vorgehen entscheiden, auf einen Abwahlantrag wolle man aber vorerst verzichten.

Das SPD-Präsidium der SPD war schneller: Ein Parteiordnungsverfahren soll in einen Ausschluss münden. Sarrazin habe Begriffe benutzt, die "nahe an der Rassenhygiene und Rassentheorie" lägen, begründete SPD-Chef Sigmar Gabriel den einstimmigen Beschluss.

Doch in Ecke der Rechtspopulisten will Sarrazin nicht gestellt werden: "Die Tendenz zu rechtsradikalen Parteien finde ich äußerst gefährlich", sagt er am Montag. "Aber wenn man jedes Problem, das von den Falschen benannt wird, als Nichtproblem ansieht, ist man trotzdem auf dem falschen Weg." Sarrazin erklärt Muslime - im Gegensatz zu Migranten aus Osteuropa oder Asien - für integrationsunwillig. Man brauche sie wirtschaftlich nicht, im Gegenteil: Sie nähmen zu einem hohem Anteil Sozialleistungen in Anspruch, verhießen kein "qualifikatorisches oder intellektuelles Potential", und die "enorme Fruchtbarkeit" stelle eine "Bedrohung für das kulturelle und zivilisatorische Gleichgewicht im alternden Europa dar". Bei Migranten aus dem Nahen Osten spielten "auch genetische Belastungen - bedingt durch die dort übliche Heirat zwischen Verwandten - eine erhebliche Rolle".

Sarrazin beruft sich auf Statistik und Wissenschaft. "Es kommt doch aber auch auf die Auswahl und Interpretation an", sagt ein anwesender Journalist.

Als Sarrazin gefragt wird, weshalb er den Zusammenhang von Genen und Intelligenz betont und damit dem Buch schade, antwortet er schlicht: "Das ist der aktuelle Stand der Forschung. 50 bis 80 Prozent der Intelligenz sind angeboren, 30 bis 50 umweltbedingt." Tatsächlich sind sich die Wissenschafter hier durchaus nicht einig.