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Spekulanten als Klimaschoner

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

Das 30-jährige Postulat für den freien Markt entpuppt sich als Papperlapapp. Vielmehr muss er an die Kandare.


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Ein dreifaches Hoch den Spekulanten, die den Ölpreis in immer neue Höhen schrauben. Vermutlich werden Sie nach weiterer Lektüre auch dafür plädieren, den Ölpreis weiter anzuheben. Denn es macht Sinn.

Blättern wir zurück zu den Anfängen der Industrialisierung, stellen wir fest: Schon da ging alles schief. Unfähig oder nicht willens, weiterzudenken, setzten die großbürgerlichen Kapitalisten ihre ganze Energie ein, um die Effizienz der Arbeitsstunde zu steigern - bis heute um das Zwanzigfache. Dies hatte zur Folge, dass mit jedem Prozent mehr Weltwirtschaftswachstum der Energieverbrauch analog stieg und mit dem ständig steigenden CO2-Ausstoß die Umweltkatastrophe Fahrt aufnahm. Hätte man mit dem gleichen Ehrgeiz die Einsparung von Energie betrieben, wäre es nie zur Fehlentwicklung mit ihren Folgen für das Weltklima gekommen.

So aber zerrinnen die Gletscher, ersticken Stadtviertel in Abgasen, zerkratzen 30.000 Flüge täglich den Himmel Europas mit ihren Kondensstreifen, vertrocknet der Boden Südspaniens zu einer mediterranen Sahelzone, damit im Februar Erdbeeren und Rosen aus dem Süden in unsere Supermärkte kommen. Und der Wahnsinn rechnet sich.

Das Bild ergänzen die frivolen Konzerngewinne. 16 Milliarden Euro lukrierte 2011 VW mit der Produktion vierrädriger Kisten zur Technik von gestern. Das versprochene Auto mit einem Verbrauch von 1,2 Litern auf 100 Kilometer ist man uns immer noch schuldig. Für Innovation halten sich die Autobauer gar nicht mehr zuständig. Wie sonst könnten sie in Berlin um 5,5 Milliarden Euro an Fördergeldern für die Entwicklung eines Elektroautos ansuchen?

Das offenbart: Alles Anpreisen eines freien Marktes in den vergangenen dreißig Jahren war Papperlapapp. Das genaue Gegenteil ist richtig. Straff müssen sich die Zügel spannen, an die Kandare muss er, damit nicht länger Halbfertiges irgendwo zu einem Ganzen zusammengesetzt wird und danach wiederum auf Weltreise geht, um seinen Markt zu finden. Solange sich dies rechnet, muss beim Energiepreis nachgebessert werden. Diese Nachbesserungen würden den Anreiz zu technischen Innovationen mit dem Ziel Energieeinsparung führen.

Verlust an Kaufkraft und Lebensqualität muss es also keinen geben, wenn 5 Liter Benzin so viel kosten wie heute 2 Liter, der Wagen von morgen aber nur 2 Liter statt 5 Liter verbraucht. Bei einem sinnvoll dirigierten Markt wären uns VW und Opel das 1,2-Liter-Auto nicht schuldig geblieben, würden die meisten von uns bereits in Häusern wohnen, die praktisch keine Energie verbrauchten.

Alles ganz einfach und in der Suppe doch ein Haar, weil all dies nur globally erreicht werden kann. Teure Energie hier und unregulierte Märkte dort würde nur den Run auf die billigen Quellen auslösen. Der Erfolg wäre so fraglich wie der einer Kapitaltransaktionssteuer ohne weltweite Beteiligung.

Welch ein Erwachen also! Da haben wir eine Währung, zu der die Finanzregeln fehlen, und eine globale Wirtschaft ohne globale Spielregeln.

Und nun?