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Spekulation frisst Steuerkuchen auf

Von Clemens Neuhold

Politik

Wie der bittere Nachgeschmack der Spekulation das Budget und die Städtekassen verdirbt.


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Wien. Wenn man eine Österreich-Karte anfertigen müsste, die alle drohenden Schäden der vergangenen Spekulationswelle abbildet, wäre nicht Salzburg, sondern Linz die Hauptstadt des Schreckens. Während die Stadt Salzburg finanziell mit einem blauen Auge davonkommen dürfte, droht in Linz ein Schaden von annähernd 500 Millionen Euro. Das entspricht dem aktuellen Schuldenstand der Stadt oder zwei Drittel des Jahresbudgets.

Monsterprozess

Heute, Freitag, beginnt am Landesgericht Wien der Prozess zwischen Linz und der Bawag. Die Bawag ist jene Bank, mit der die Stadt 2007 ein hochspekulatives Geschäft abgeschlossen hat. Die Beiden streiten, wer schuld ist und die Zeche zahlt. Den Namen des Zinstausch-Geschäfts "Swap 4175" kennt in der Landeshauptstadt heute jedes Kind. Es war eine Wette auf die Entwicklung des Schweizer Franken.

Der Zivilprozess ist einer der größten in der Justizgeschichte und zugleich ein Sittenbild über die Spekulationswelle vor der Krise. Die Welle schwappte von Wien, Salzburg, Linz bis in die hinterste Gemeindestube, wo sogar Kläranlagen "geswapt" wurden. In St. Pölten geht es um 80 Millionen Euro (siehe Seite 11).

Es ist die Geschichte einer Spekulations-Allianz aus lokalen Finanzbeamten und eifrigen Bankern, die immer enger und ausgefeilter wurde, je höher die Börsenkurse kletterten. Als die Finanzkrise die Kurse in den Keller schickte, zerbrach die Allianz.

Heute tritt man meist nur noch vor Gericht gemeinsam auf. "Kapfenberg gegen Simmering - das ist Brutalität", kommentiert Hannes Androsch das Match Linz versus Bawag. Der Industrielle und Ex-Finanzminister ist Aufsichtsratsvorsitzender der "Fimbag", die Staatsanteile an Banken managt.

So richtig brutal könnte es am Schluss für Simmering, für Kapfenberg und für den Steuerzahler werden. Denn die Causa dürfte seine gerade explodierende Rechnung für die Bankenrettung (siehe Bericht links) noch weiter erhöhen. Verliert Linz, geht die Stadt zwar nicht pleite, sie würde aber wohl beim Land oder Bund um finanzielle Hilfe ansuchen müssen. Ähnliche Unterstützung war bereits für niederösterreichische Gemeinden im Gespräch, die sich mit ähnlichen Finanzdeals verzockt hatten.

Tickende Zins-Bombe

Die Bawag hat für finanzielle Risken zwar vorgesorgt, sagt aber nicht, wie viel. Zur Illustration, wie gefährlich Swap 4175 für die Bank ist: Durch steigende Zinsen beträgt der Schaden laut Angaben der Bank bereits 470 Millionen Euro - bei einem jährlichen Gewinn der Bank von 100 Millionen Euro. Gleichzeitig stecken in der Bank noch 550 Millionen Euro an staatlichen Hilfsgeldern.

"Man darf nicht außer Acht lassen, dass im schlimmsten Fall viel höhere Kosten für die Republik anfallen könnten", warnte Androsch noch im März in "News". Sollte 4175 für die Bank "zur Existenzbedrohung" werden, könnte der Staat nicht nur die 550 Millionen Euro verlieren, sondern müsste möglicherweise "eine weitere Bank auffangen".

Als Alternative zum jahrelangen Rechtsstreit durch alle Instanzen schlug Androsch einen Vergleich zwischen Bawag und Linz vor, bei dem der Steuerzahler sich gleich mit 150 Millionen Euro beteiligt. Daran hält Androsch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" fest. Er verweist auf die enormen Kosten für Gericht, Anwälte, Gutachter und Zinsen, die den Schaden jetzt täglich ausweiten.

Doch eine Mediation ging schon einmal schief. Jetzt fahren die Streitparteien lieber die Geschütze vor Richter Andreas Pablik auf. Der muss nun entscheiden, wie viel die Stadt von Swap 4175 wirklich wusste.

"Gelegt" oder gut überlegt?

Darum dreht sich das gesamte Verfahren. Die Verteidigungslinie der Stadt und ihrer Anwälte wird so ausschauen: Linz sei von der Bawag auf gut Wienerisch "gelegt", das Geschäft sei ihr "aufgedrückt" worden. Die Anwälte werden den Deal als Geschäft eines einzelnen Mitarbeiters der Stadt darstellen, der ohne nötigen Gemeinderatsbeschluss ein hohes Risiko eingegangen sei. Dieses Risiko habe die Bank nicht entsprechend dargestellt. Denn wäre das Risiko sichtbar geworden, wäre es vom Gemeinderat nie bewilligt worden.

Die Bawag wird den Spieß umdrehen und den Linzer Bürgermeister Franz Dobusch (SPÖ) samt seiner Mitarbeiter als erfahrene Finanzexperten "auf Augenhöhe" mit der Bank darstellen, die sich der Risiken voll bewusst gewesen seien. Hinter dem einzelnen Deal wären klare politische Vorgaben gestanden, die der Bürgermeister abgesegnet habe. Die einzelnen Geschäfte seien wie von einem Portfoliomanager entsprechend abgeschlossen worden.

Die Stadt will es jedenfalls wissen. Der Linzer Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, den Rechtsstreit bis in die letzte Instanz zu führen, also bis zum Obersten Gerichtshof (OGH). Das wird Jahre dauern. Sollte Linz das Verfahren gewinnen, will man das Geld, das man mit dem Deal in guten Zeiten verdient hat, der Bawag jedenfalls zurückzahlen. Zumindest einen zweistelligen Millionenbetrag würde das "Geschäft" den Steuerzahler dann kosten.

Der Bürger bürgt immer

Die Logik, nach der sowohl bei Dorf-Zockereien wie auch bei Bankenrettungen immer der Steuerzahler verliert, ist dieselbe. Die Banken rannten den Finanzbeamten in Dorf und Land mit ihren Finanzprodukten die Türe ein. Anders als eine private Firma müssen Kommunen für ein potenzielles Risiko nämlich nicht vorsorgen. Warum? Weil der Bürger notfalls bürgt. Bei Hypo oder Kommunalkredit konnte man sich ebenfalls seiner rettenden Hand sicher sein.

Die Politik könnte Skandale wie den in Linz künftig unterbinden: mit einem Spekulationsverbot. Doch das steht auf der Kippe, weil man lieber streitet - und weiter mit der Geduld des Steuerzahlers spekuliert.