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Spekulation mit vielen Unbekannten

Von Brigitte Pechar

Politik

Wer wird neuer ÖVP-Innenminister? | Wie lange hält die rote Doppelspitze? | Wer folgt Kanzler-Sprecher nach? | Die Regierung ist mit Personalsuche beschäftigt. Rasche Lösungen zeichnen sich nicht ab. Gebannt warten ohnehin alle auf den 7. Juli, wenn das SPÖ-Präsidium wieder zusammentritt. Viele meinen, damit das Ende von Kanzler Gusenbauer fixieren zu können. Andererseits hat die Partei wenig formale Möglichkeiten, den Bundeskanzler loszuwerden. Ein SPÖ-Misstrauensantrag ist genauso auszuschließen wie ein Absetzungsverfahren durch Bundespräsident Heinz Fischer.


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In der Umgebung des Kanzlers setzt man daher auf Zeit. Die Doppelführung von Gusenbauer und Infrastrukturminister Werner Faymann sei "nicht ungefährlich, aber das kann schon funktionieren", heißt es hier. Wenn Gusenbauer mit Hilfe von Faymann, der schon auf Beschwichtigungstour in den Bundesländern unterwegs ist, es schafft, Debatten um seine Person abzustellen, ist sogar eine volle Legislaturperiode bis 2010 möglich.

Gusenbauer hat den Personalreigen mit einer Verteidigungsstrategie eröffnet: Frauenministerin Heidrun Silhavy und Staatssekretär Andreas Schieder kommen, Doris Bures wechselt als alleinige Bundesgeschäftsführerin in die SPÖ-Zentrale, Josef Kalina und Reinhard Winterauer müssen von dort weg.

Am Dienstag ist dem Kanzler ein weiterer Vertrauter abhanden gekommen. Pressesprecher Stefan Pöttler verlässt ihn Ende des Monats nach nur eineinhalbjährigem Aufenthalt im Kanzleramt. Ein Ersatz für ihn steht nicht bereit.

Auf Zeit setzt auch ÖVP-Chef Vizekanzler Wilhelm Molterer. Die Nachbesetzung von Innenminister Günther Platter, der am 1. Juli zum Landeshauptmann von Tirol gewählt wird, "ist Chefsache", heißt es in der ÖVP. Und der Chef überlegt, schließlich muss auch die Möglichkeit von Neuwahlen in das Kalkül miteinbezogen werden. Eine Klarstellung gibt es aber von der ÖVP: Die Regierungsumbildung wird noch vor dem 1. Juli bekannt gegeben und "wir garantieren einen nahtlosen Übergang im Sicherheitsbereich", sagt Nikola Donig, Pressesprecher der ÖVP.

Die ÖVP plant nur eine kleine Rochade. Entweder Platter wird von außen nachbesetzt oder Landwirtschaftsminister Josef Pröll wechselt. Wird das Innenministerium von außen nachbesetzt, obwohl sich Platter bereits gegen einen "Newcomer" ausgesprochen hat, kommen die Niederösterreicher Landesrätin Johanna Mikl-Leitner, Klubobmann Klaus Schneeberger oder Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka in Frage.

Allerdings wären dann die westlichen Bundesländer in der ÖVP-Regierungsmannschaft nicht mehr vertreten. Diese Variante ist eher unwahrscheinlich, da das Länderprinzip über dem Bündeprinzip steht. Bei einem Wechsel von Pröll könnten die Tiroler das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium erhalten. Sowohl Noch-Landeshauptfrau-Stellvertreterin Elisabeth Zanon als auch Landesrätin Anna Hosp sind dafür im Gespräch.

Eine große ÖVP-Regierungsumbildung gilt als unwahrscheinlich, könnte aber dann kommen, wenn sich Molterer für vorgezogene Neuwahlen entscheidet. Dann wäre Gesundheitsministerin auch die politisch beschädigte Andrea Kdolsky gefährdet.

"Die ÖVP weiß selbst nicht, ob sie in der Regierung bleiben will oder ob sie sie sprengen soll", heißt es in der roten Reichshälfte. "So kanns nicht weitergehen", urteilt dagegen der dienstälteste Ressortchef, Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, in Richtung SPÖ. Er befürchtet negative Folgen für das Image Molterers und die ÖVP insgesamt: "Wir haben den roten Klotz am Hals, der zieht uns kräftig mit nach unten." Diese Einschätzung aber kann nicht als Hinweis zu Neuwahlen gewertet werden, denn Sozialdemokraten und Volkspartei ist klar, dass es nur einen Gewinner von vorzeitigen Wahlen geben kann: Heinz-Christian Strache. Und danach müssten sich ÖVP und SPÖ erst wieder zusammenraufen.

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