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Immer, wenn Preise von Energie, Rohwaren oder Nahrungsmitteln deutlich ansteigen, findet sich rasch ein Schuldiger: die Spekulation. Und ebenso rasch und vollmundig ertönt der Ruf nach ihrem Verbot. Es scheint unerträglich, dass Menschen hungern, während andere gierig ihre Spekulationsgewinne einstreifen. Leider ist die ganze Problematik nicht auf diesen einfachen Nenner zu bringen.
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Was ist eigentlich Preisspekulation? Im Kern ist es eine normale Reaktion der Marktteilnehmer auf Preiserwartungen. Erwartet man fallende Preise für ein Produkt, wird der Verkäufer seine Bestände möglichst rasch verkaufen wollen, während der Käufer möglichst spät zu niedrigerem Preis kaufen will. Bei steigenden Preiserwartungen gilt das Umgekehrte. Das Ergebnis sind im ersten Fall sinkende Preise und im zweiten Fall steigende. Sinkende Preiserwartungen ermutigen aber zum Beispiel auch den Verkauf zu einem zukünftigen Zeitpunkt von Werten, die man noch gar nicht besitzt, um die später billiger besorgten Werte mit Gewinn zu verkaufen. An den Börsen werden solche Geschäfte in standardisierter Form getätigt.
Das heißt, dass Spekulation ziemlich symmetrisch in beide Richtungen gehen und zu steigenden wie fallenden Preisen führen kann, also im längerfristigen Durchschnitt das Preisniveau kaum beeinflusst. Herdenverhalten und Blasenbildungen können jedoch größere Preisausschläge nach oben und unten bewirken.
Sind die Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt (zu) billig, wird das Los der Anbieter aus den Entwicklungsländern beklagt, die von den erzielten Preisen nicht leben können; sind sie (zu) teuer, werden mit Recht die Armen beklagt, die sich ihr Essen nicht mehr leisten können.
Wie entstehen Preiserwartungen? Wenn sie nicht durch einen Marktteilnehmer mit großer Marktmacht manipuliert werden, meist durch ganz reale Phänomene: Missernten in bestimmten Regionen bei Nahrungsmitteln, die Gefährdung von Öl- oder Gaslieferungen durch politische oder kriegerische Entwicklungen wie gerade in Libyen, die Verknappungstendenz von seltenen Mineralien und Erden. Preise sind eben nicht nur das Ergebnis aktueller Knappheitssituationen oder Überangebote, sondern auch von Ungleichgewichten, die für die Zukunft erwartet werden.
"Spekulatives" Verhalten gibt es, seit es Märkte gibt. Es kann in einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung nicht verhindert werden, ja es ist ein konstitutives Element. Verbieten könnte man bestimmte Transaktionen an den offiziellen Börsen. Dann würden diese Geschäfte eben anderswo oder im "Untergrund", das heißt "over the counter" ablaufen, ohne die Regelhaftigkeit und Transparenz von Börsentransaktionen.