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Berlin - Auch Superagenten wie James Bond hätten wohl ihre liebe Not, die V-Leute-Affäre wieder einzudämmen. Dass Geheimdienste im Dunkeln agieren und ihre Erfolge nicht öffentlich feiern, liegt in der Natur der Sache. Bei der vom Verbot bedrohten NPD waren sie offenbar überaus erfolgreich. Führt nun aber der Erfolg der Verfassungsschützer zu einem Debakel für die Politik und wird zum Sprengsatz für das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verbotsverfahren?
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Schon lange wird gemunkelt, dass unter den 6.500 Mitgliedern der 1964 gegründeten rechtsextremen NPD nicht wenige im Sold eines der 17 Verfassungsschutzämter stehen. Die in Karlsruhe eingereichten Verbotsanträgen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat greifen mit unterschiedlichen Akzenten die Beobachtungen der Geheimen auf. Insgesamt 126 "Behördenzeugnisse" sollen die verfassungsfeindlichen Aktivitäten beweisen. Dahinter stehen die Berichte von V-Leuten, deren Identität geschützt werden muss.
Dass Verfassungsschützer auf diesen Wegen Informationen sammeln, ist ihre Aufgabe. Auch dass Aussagen von V-Leuten in einem Verbotsverfahren verwendet werden, kann man ihnen nicht vorwerfen. Zum Problem werden V-Leute in so einem Verfahren wie dem NPD-Verbot allerdings dann, wenn sie mit ihren Taten und Aussagen selbst die Verfassungswidrigkeit der Partei belegen sollen. Je höher ein V-Mann in so einer Organisation steigt, desto größer wird diese Gefahr.
Die von den zuständigen Beamten unterschätzte Brisanz zeigte sich am Fall des NPD-Spitzenfunktionärs Wolfgang Frenz. In den Anträgen wird er mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen aus einem 1998 veröffentlichten Buch zitiert. Bis 1995 hat er für den Verfassungsschutz gearbeitet. Das jedoch hatten die Antragsteller verschwiegen. Für die Karlsruher Richter war dies Grund genug, alle Verhandlungstermine auszusetzen und von den Antragstellern eine Erklärung zu verlangen. Frenz war bei der mündlichen Verhandlung eine besondere Rolle zugedacht. Er gehörte zu den 14 "Auskunftspersonen", die dem Gericht Rede und Antwort stehen sollten.
Seither wird in Berlin und Karlruhe über weitere Fälle spekuliert. So soll der NPD-Funktionär Udo Holtmann 24 Jahre lang für den Bundesverfassungsschutz gearbeitet haben. Holtmann ist zwar keine "Auskunftsperson", wird jedoch in den Anträgen von Bundestag und Bundesrat zitiert. Inzwischen geriet "Auskunftsperson" Frank Schwerdt in Verdacht. Der NPD-Bundesgeschäftsführer dementierte: Er sei noch nie von einem Geheimdienst auf eine Mitarbeit angesprochen worden oder habe von sich aus Kontakt gesucht.
Der Bundesverfassungsschutz und alle Landesämter erklärten inzwischen, es gebe unter den 14 "Auskunftspersonen" - mit Ausnahme von Frenz - keinen weiteren V-Mann. Darauf muss sich die Politik verlassen können. Wie aber kann die Politik dem Misstrauen der Verfassungsrichter begegnen? Der Prozessbevollmächtigte des Bundestages hat vorgeschlagen, die Richter vertraulich über die V-Leute zu informieren. Die Prozesspartei NPD bliebe dabei draußen, um die Sicherheit der V-Leute nicht zu gefährden.
Für Innenminister Otto Schily (SPD) ist der Fall besonders ärgerlich. Obwohl von einem Parteienverbot zunächst nicht unbedingt überzeugt, ließ er sich 2000 vor dem Hintergrund einer Serie rechtsextremistischer Anschläge und angefeuert von seinem bayerischen Amtskollegen Günther Beckstein (CSU) auf die Sache ein. Ausgerechnet im Wahljahr bietet nun der im Kabinett Schröder bisher unangefochtene Hüter von Recht und Ordnung Angriffsflächen für die Opposition.