US-Präsident George W. Bush hat versprochen, die für die Misshandlung und den Tod irakischer Gefangener Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Seinen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zählt Bush - zumindest offiziell - nicht zu diesem Personenkreis. Dennoch wird in den USA offen über eine Ablösung Rumsfelds spekuliert.
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Heute muss der Verteidigungsminister vor den Streitkräfteausschuss des Senats treten und Fragen zu den Vorfällen im Irak beantworten. "Der Kongress wurde völlig im Unklaren gelassen", kritisiert Senator John McCain, der wie Bush und Rumsfeld zur Republikanischen Partei gehört.
Aus dem Weißen Haus verlautete, auch Bush habe Rumsfeld gegenüber durchaus deutlich seinen Unmut über die Art und Weise geäußert, wie er von den Vorgängen im Abu-Ghoreib-Gefängnis bei Bagdad erfahren hatte. Insbesondere sei der Präsident verärgert darüber gewesen, dass niemand ihm von den Bildern erzählt habe, auf denen US-Soldaten vor nackten Häftlingen posieren. Bush wusste angeblich bis zur Veröffentlichung der Fotos im Fernsehen nichts von diesen Aufnahmen.
Öffentlich hat sich der Präsident allerdings vor Rumsfeld gestellt. Er habe Vertrauen in den Verteidigungsminister, sagte Bush in Interviews mit den arabischen Fernsehsendern Al Arabiya und Alhurra.
Rumsfeld gilt als der Architekt des Irak-Kriegs, sein Ministerium überwacht weitgehend den Wiederaufbau des Landes. Je schwieriger die Lage für die Besatzungstruppen wurde, umso lauter wurde auch die Kritik am Verteidigungsminister. Die einen beschwerten sich, dass die Verträge für Wiederaufbauprojekte nicht ordnungsgemäß vergeben worden seien, die anderen bemängelten, es seien zu wenig amerikanische Soldaten im Irak stationiert. Nun aber hat die Kritik an Rumsfeld eine neue Dimension erreicht.
Sowohl der Verteidigungsminister als auch Generalstabschef Richard Myers müssten abberufen werden, sagt Ivo Daalder, Sicherheitsexperte am Zentrum für Amerikanischen Fortschritt und unter Expräsident Bill Clinton führender Berater im Nationalen Sicherheitsrat. Die Misshandlungen irakischer Gefangener seien "etwas, das ein drastisches Vorgehen erfordert". "Wir sollten Abstand nehmen von der Vorstellung, dass wir das im normalen Tagesgeschäft erledigen können."
Doch die Bush-Regierung zeigt sich bisher kaum geneigt, Rumsfeld oder Myers zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwierigkeiten im Irak sind nicht zwangsläufig ein Problem für den Verteidigungsminister, sagt Peter Brookes von der konservativen Heritage-Stiftung in Washington. Anders als Daalder hält er nichts von einem Rücktritt der Pentagon-Spitze. Im Gegenteil: Es sei zu gefährlich, sie inmitten eines Krieges auszutauschen, erklärt der Experte für Diplomatie und Heimatschutz.
Erste Berichte über Misshandlungen im Abu-Ghoreib-Gefängnis gab es im Jänner. Das Pentagon leitete eine Untersuchung ein. Ein zwei Monate später vorgelegter Bericht kam zu dem Schluss, dass US-Soldaten die ihnen unterstellten Gefangenen grausam behandeln. Myers hat eingeräumt, dass weder er noch Rumsfeld diesen Bericht sofort gelesen hätten. Der Verteidigungsminister überflog lediglich die Zusammenfassung.