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Spekulationen um Dahlan

Von Hans Dahne

Politik

Jerusalem/Gaza - Die öffentlichen Spekulationen über seinen Karrieresprung haben Mohammed Dahlan wenig amüsiert. Der palästinensische Sicherheitschef im Gaza-Streifen erwäge eine "Millionenklage" gegen eine israelische Zeitung, die ihm bereits den Ritterschlag als Chef eines reformierten palästinensischen Sicherheitsapparates erteilt habe, berichten Bekannte Dahlans.


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Über die Gründe der Unmutsregungen gehen die Spekulationen in Gaza auseinander. Dahlan wolle nicht bei den Palästinensern als Mann der USA, Israels oder Ägyptens diskreditiert werden, sagen die einen. Dahlan wolle seinen Bekanntheitsgrad erhöhen, sagen die anderen.

Wenn CIA-Direktor George Tenet jetzt mit Präsident Yasser Arafat über eine Reform des Sicherheitsapparates sprechen wird, dann geht es dabei direkt auch um die Zukunft Dahlans. Der 42-Jährige wird in Medienberichten als der "starke Mann" gehandelt, der künftig einem von zwölf auf vier Organisationen abgespeckten Sicherheitsapparat vorstehen soll. Der Vorwurf Israels lautet, dass die verschiedenen Apparate die Intifada, den bewaffneten Aufstand der Palästinenser, aktiv, auch mit Waffen, unterstützt und angeheizt haben. Eine Neustrukturierung solle dies verhindern.

Erstmals soll es im Sicherheitsapparat der Palästinenser auch ein gemeinsames Kommando über den Gaza-Streifen und das Westjordanland geben. Arafat habe bisher eine einheitliche Führung vermieden, um den einen Sicherheitschef (Dahlan) gegen den anderen (Jibril Rajoub) ausspielen zu können, sagen palästinensische Kritiker.

Die Reformpläne sehen vor, dass sich künftig eine Palästinenserpolizei ausschließlich um die tägliche Kriminalität und Strafvergehen kümmern soll. Daneben soll es die klassischen Felder Innere Sicherheit und Abwehr äußerer Gefahren sowie eine Grenzpolizei geben. Die Reform des Sicherheitsapparats ist eine Säule eines Drei-Stufen-Planes, den die US-Regierung zeitgleich in Angriff nehmen möchte. Dazu gehören weiterhin noch die Reform der Palästinensischen Nationalbehörde (PNA) sowie die Rückkehr zu diplomatischen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern.

Die Frage bleibt, wie unabhängig von Arafat ein neuer Sicherheitschef überhaupt agieren kann. Zur Machtfülle des Präsidenten gehört, dass er auch über das Innenministerium und damit über die Sicherheitsdienste gebietet. Daran wird sich aus Sicht von Palästinensern aus dem Umfeld Arafats "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nichts ändern. Die andere Frage ist, ob Dahlan den Vorzug vor seinem Konterpart im Westjordanland, Jibril Rajoub, bekommt. Arafat hatte beim Aufbau der Sicherheitsapparate nach den Osloer Verträgen von 1993 Dahlan zum Chef im Gaza-Streifen und Rajoub im Westjordanland gemacht.

Dahlan wird aus seinem Umfeld als freundlich, warmherzig, humorvoll und vor allem als gewitzter und diplomatischer als Rajoub beschrieben. Dahlan, der vier Jahre in israelischer Haft verbrachte, spricht auch Hebräisch. Anders als Rajoub nimmt er aktiver am Friedensprozess teil und kennt die wichtigsten Spieler aus Israel und den USA persönlich. Israel hat den Sicherheitschef bisher nicht attackiert. "Dahlan weiß, wie das politische Spiel funktioniert", sagt ein Bekannter. Das große Manko Dahlans: Er wuchs im Gaza-Streifen auf, und ihm fehlt im Westjordanland der Rückhalt der in arabischen Gesellschaften üblichen Familien- und Stammesstrukturen.