St. Pölten drohen Zinsbelastungen von drei Millionen Euro pro Jahr.
St. Pölten/Wien. Die horrenden Spekulationsverluste durch umstrittene Zinswetten auf den Euro-Franken-Kurs werden ein weiteres gerichtliches Nachspiel haben.
Nach der Stadt Linz, die gegen ihre frühere Hausbank Bawag mit einer saftigen Schadenersatzklage ins Feld zog, will nun die niederösterreichische Landeshauptstadt Sankt Pölten gegen die Raiffeisen-Landesbank (RLB) Niederösterreich-Wien in den Ring steigen.
Wie Martin Koutny von der Stadt Sankt Pölten in Absprache mit Bürgermeister Matthias Stadler der "Wiener Zeitung" bestätigte, hat der Finanzausschuss des Gemeinderates von St. Pölten am Montagabend "grünes Licht zur Vorbereitung einer Klage gegen die RLB NÖ/Wien" gegeben.
"Die Justiz soll eingeschaltet werden, um die unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Stadt und des Geldinstitutes hinsichtlich des Zustandekommens eines Swapgeschäftes zu klären", erklärt Koutny die Sachlage. "Damit kann in der Gemeinderatssitzung am 13. Dezember die endgültige Entscheidung zur Vorbereitung der Klage getroffen werden." Nachsatz: "Gutachten stützen die Rechtsmeinung der Stadt, dass dieses Geschäft rechtlich nicht einwandfrei zustande gekommen ist." Zur Erinnerung: Linz hat die Bawag u.a. auf Unwirksamkeit eines Franken-Derivatgeschäfts geklagt, weil die entsprechenden Genehmigungen der Gemeindeaufsicht fehlen.
Anwälte bastelten Linz-Klage
St. Pölten hat für den bevorstehenden Rechtsstreit die renommierte Wiener Anwaltskanzlei Kraft & Winternitz engagiert, die schon die Klage für die Stadt Linz eingebracht hat und 15 niederösterreichische Gemeinden in Sachen Franken-Swaps gegen die RLB NÖ/Wien vertritt. Über Details der Zinsaffäre will St. Pölten derzeit nicht sprechen, im Finanzausschuss wurde Vertraulichkeit vereinbart.
Stadtrat ortet hohe Belastung
Indes sagte VP-Stadtrat Bernhard Wurzer vor der Finanzausschusssitzung zur "Wiener Zeitung", dass es durchaus möglich ist, dass die Zinsbelastung durch das Derivatgeschäft für die Stadt künftig jährlich rund drei bis dreieinhalb Millionen Euro betragen wird. Die Laufzeit soll über das Jahr 2020 hinausgehen. "Im folgenden Jahr kommt es zu Zinsbelastungen oder man steigt aus", sagte Wurzer. "Genaue Zahlen kann ich Ihnen nicht sagen, weil wir keine Vertragsmodalitäten kennen. Die Zinsgeschäfte wurden vom Gemeinderat zwar beschlossen, aber die waren mit einem Risikolimit belegt." Dieses Limit sei aber überschritten worden. Den Schwarzen Peter schiebt er dem Bürgermeister zu. "Der Gemeinderat wurde über das Risiko nicht so informiert, wie wir uns das erwartet hatten", sagte Wurzer. "Die ersten Informationen, dass es zu Verlusten kommen könnte, erhielten wir vor dem Sommer." Nachsatz: "Im Mai und Juni sind wir von einem ganz anderen Franken-Kurs ausgegangen." Dem Vernehmen nach soll ein Ausstieg aus dem Derivatgeschäft zumindest 75 bis 80 Millionen Euro kosten - doch das ist bisher reine Theorie. Die "Wiener Zeitung" konfrontierte die RLB mit der Klagsdrohung. "Wir haben mit der Stadt Sankt Pölten immer eine sehr enge Zusammenarbeit gehabt und Sankt Pölten als sehr professionellen Geschäftspartner erlebt", sagt Michaela Stefan von der RLB NÖ/Wien. "Wir haben mit Sankt Pölten Gespräche geführt, aber haben bis jetzt keine Klage erhalten." Nachsatz: "Solange wir keine Klage in Händen und keine Entbindung vom Bankgeheimnis haben, dürfen wir Ihnen dazu nichts sagen."