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Spezialist fordert ambulante Krebstherapie

Von Wolfgang Wagner

Wissen

Wien. (APA / WZ Online) In den von Bundesländern und Gemeinden finanzierten Spitälern explodieren an den onkologischen Abteilungen die Arzneimittelbudgets durch neue, innovative und effektivere medikamentöse Therapien. Billiger und einfacher wäre ihre Verabreichung in der niedergelassenen Praxis spezialisierter Onkologen. Dies erklärte in einem Gespräch mit der APA der niederösterreichische Fachmann Dr. Wolfgang Halbritter. Er versucht seit Jahren, ein solches System zu etablieren.


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"Man bräuchte ja nur über unsere Grenzen hinaus zu blicken. Eine medikamentöse Behandlung mit Chemotherapeutika und bzw. oder Biotechnologie-Medikamenten findet in der Schweiz und in Deutschland seit 25 Jahren in den Praxen niedergelassener Ärzte außerhalb der Spitäler statt. In Deutschland werden derzeit etwa 40 Prozent dieser Therapien bei niedergelassenen Ärzten verabreicht", sagte Halbritter, auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für ambulante Krebstherapie.

Der Internist mit zusätzlicher Spezialausbildung als Hämatologe und Onkologe will keine Konkurrenz zwischen Spital und niedergelassenen Ärzten, ist aber der Meinung, dass viele der Zytostatika und Biotech-Medikamente bei dafür ausgebildeten Internisten außerhalb der Spitäler verabreicht werden könnten: "Die Indikation (Entschluss zur Einleitung einer Therapie, Anm.) ist im Spital zu stellen. Dort kann man auch mit der Therapie beginnen. Doch wenn bei den ersten Behandlungszyklen keine Probleme auftauchen, kann der Patient ambulant mit den Infusionen oder Kurz-Infusionen behandelt werden."

Speziell eigenen würde sich eine Onkologie in der niedergelassenen Praxis für so genannte palliative Chemo- oder Biotechnologica-Therapien, die nicht mehr auf die Heilung, aber auf die Lebensverlängerung unter möglichst optimaler Lebensqualität abzielen. Halbritter: "Ein Großteil der erwähnten teuren Therapien wird als Injektion oder Infusion von einer halben bis einer Stunde verabreicht. In den meisten Fällen besteht kein medizinischer Grund, diese Heilmittel im Krankenhaus zu geben."

Zwar haben viele Spitäler versucht, die medikamentöse Krebstherapie in Ambulanzen oder Tageskliniken unterzubringen, doch - so zumindest die Berechnungen von Halbritter - noch viel billiger wäre es, diese Behandlungen beim niedergelassenen Spezialisten durchzuführen. Der Arzt: "Die Infusion eines Krebsmedikaments in der niedergelassenen Praxis statt im Spital und bei tagesklinischer Verabreichung bringt im Schnitt eine Einsparung von 200 bis 300 Euro pro Patient und Tag. Bei einzelnen Medikamenten sind es sogar bis zu 900 Euro." - Und dies bei wöchentlicher Applikation über ein Jahr oder länger.

Die Verschreibung der Medikamente auf Kassenrezept und die Versorgung über öffentliche Apotheken würde - nur bei den direkten Medikamentenkosten - einen geringen Mehraufwand benötigen. Der Spezialist: "Der monoklonale Antikörper Herceptin kostet das Spital pro Dosis derzeit 688 Euro. In der Apotheke kostet das 710 Euro." Bei derartigen Medikamenten gibt es für die österreichischen Apotheken nur noch geringe Aufschläge. Die "billigeren" Strukturen außerhalb der Spitäler würden das aber mehrfach durch Einsparungen kompensieren helfen.

Hinzu käme die leichtere Erreichbarkeit, so es auch in Österreich ein Netzwerk an niedergelassenen Onkologen mit Kassenvertrag gäbe. Halbritter: "In München mit einer kleineren Bevölkerungsanzahl als Wien gibt es 18 internistisch-onkologische Spezialpraxen. In Wien, das bei uns immer als Beispiel für eine gute Versorgung dargestellt wird, gibt es insgesamt nur sieben entsprechende ambulante Einrichtungen, aber keine einzige Kassenpraxis eines 'Krebsarztes'."

In ländlichen Regionen und mit dem bei Krebstherapien manchmal über Jahre hinweg notwendigen wöchentlichen Transport von Patienten in die nächste Klinik, die solche Therapien anbietet, könnte ein Netzwerk von niedergelassenen Onkologen sicherlich Transportkosten und vor allem Belastungen der Patienten ersparen helfen. Halbritter: "In Deutschland wird ein Teil der Chemotherapien sogar zu Hause (nicht bei niedergelassenen Ärzten, Anm.) durchgeführt."

Der Grund für die Konzentration der Onkologie auf die österreichischen Spitäler scheint klar zu sein: Durch die Kosten der modernen medikamentösen Krebstherapie dürften - so der niederösterreichische Onkologe - die Krankenkassen bzw. der Hauptverband der Sozialversicherungsträger keine Ambitionen zu haben, diese Behandlung aus den Spitälern zu bekommen: "Sie zahlen für die Therapien im Spital pauschal." - Der Rest fällt den Krankenhauserhaltern sprichwörtlich auf den Kopf.

Noch einen weiteren Hemmschuh gibt es. Halbritter: "Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat die Chemotherapeutika und die Biotech-Medikamente für die Krebstherapie in die 'No Box' der nicht erstattungsfähigen Präparate eingeteilt." Damit betrachten die Krankenkassen diese Medikamente als Spitalpräparate, die in der niedergelassenen Praxis nicht auf Kassenrezept verschrieben werden können. - Das hat den Effekt, dass es sie eben nur in den Spitälern - auf Kosten der Bundesländer und Gemeinden - gibt.

Podiumsdiskussion "Neue erfolgreiche Krebstherapie - Eine Kostenfrage?"

Am Mittwoch diskutieren Spitzenmediziner über die Probleme der Krebsmedizin: Vor einigen Wochen machten führende österreichische Experten auf die teilweise dramatische Situation in der Finanzierung der modernsten medikamentösen Therapien an den Krankenhäusern aufmerksam. Am 14. September um 18.00 Uhr steht das Thema "Neue erfolgreiche Krebstherapie - Eine Kostenfrage?" im Mittelpunkt einer Diskussionsrunde im ORF RadioKulturhaus in Wien.

Speziell die Onkologen haben darauf hingewiesen, dass durch die notwendige breite Anwendung der modernen Biotechnologie-Medikamente in der Onkologie - das Paradebeispiel sind monoklonale Antikörper wie "Herceptin" in der Brustkrebsbehandlung - die Budgets der damit beschäftigten Abteilungen gesprengt werden.

Auf dem Podium befinden sich am Mittwoch die wichtigsten Vertreter der Krebsmedizin in Wien, so zum Beispiel Univ.-Prof. Dr. Christoph Zielinski, Univ.-Prof. Dr. Ernst Kubista, Univ.-Prof. Dr. Raimund Jakesz, Univ.-Prof. Dr. Günther Steger (alle AKH-Wien) sowie Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig (Wilhelminenspital). An der Diskussion nehmen mit Gesundheitsstadträtin Renate Brauner, dem Wiener Ärztekammerpräsident Dr. Walter Dorner und dem Generaldirektor des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV), Dr. Willibald Marhold, aber auch die Spitzen der Gesundheitspolitik bzw. des Spitalmanagements teil. Hinzu kommen Pharma-Manager und Vertreter von Selbsthilfegruppen.

http://www.leben-mit-krebs.at