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Unruhen im Jemen - Rivalitäten zwischen Sunniten, Schiiten und IS.
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Aden/Riad/Teheran. Das Pulverfass Mittlerer Osten ist endgültig um einen Brandherd reicher. Neben dem Irak, Syrien, dem Libanon und Bahrain, wo Unruhen, Anschläge und Kämpfe zwischen Sunniten und Schiiten auf der Tagesordnung stehen, scheint nun auch der Jemen endgültig in einen Bürgerkrieg zu schlittern. Die Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien um die Vorherrschaft zieht sich wie ein roter Faden durch die Region. Mittlerweile hält die sunnitische Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) mit ihren barbarischen Anschlägen und ihrem Vormarsch den Nahen Osten zusätzlich auf Trab.
Der Feldzug der "Löwen" gegen "Ungläubige"
Spätestens nach den Selbstmordanschlägen auf zwei Moscheen, die von den von Teheran unterstützten schiitischen Houthi-Rebellen besucht wurden, spitzt sich die Lage zu. Der IS bekannte sich zu den Anschlägen, bei denen 142 Menschen getötet worden waren - sowie zum Angriff auf jemenitische Sicherheitskräfte in Lahj, bei dem am Freitag weitere 29 Menschen ums Leben kamen. Die "Löwen" des IS hätten dort 29 "Ungläubige" getötet, hieß es in einer Twitter-Erklärung. Sicherheitskreise hatten zuvor den Al-Kaida-Ableger Ansar al-Sharia für den Angriff verantwortlich gemacht. Es ist dies das erste Mal, dass der IS im Jemen öffentlich die Verantwortung für Terrorakte übernimmt.
Die Houthis sind dem IS ein Dorn im Auge. Denn ihnen ist es gelungen, im Jemen militärisch Fuß zu fassen. Seit September haben sie die Hauptstadt Sanaa unter ihre Kontrolle gebracht. Seit einigen Tagen rückt die aus dem Norden stammende schiitische Miliz immer weiter nach Süden vor. Nicht umsonst warnte der UN-Sondergesandte Jamal Benomar vor einem Bürgerkrieg auf der Arabischen Halbinsel. Es drohe ein langwieriger Konflikt wie in Syrien oder Libyen, sagte Benomar am Sonntagabend bei einer UN-Krisensitzung. Das höchste UN-Gremium sagte dem vor den Houthis geflüchteten jemenitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansour Hadi seine Unterstützung zu. Die Rebellen verlegten am Montag weitere Kämpfer in den Süden des Landes, scheiterten jedoch bei einem Vorstoß auf Aden. Einen anderen strategisch wichtigen Sieg konnten sie aber verbuchen: Sie schlugen in der drittgrößten Stadt Taiz (Taes) die Regierungstruppen zurück und übernahmen die Kontrolle über den Flughafen und eine nahegelegene Militärbasis. Die Handelsstadt liegt an der Straße zwischen Sanaa und Aden. Der Befehlshaber der Houthi-Milizen, Abdel Malek al-Houthi, hatte seine Anhänger zu einer Offensive im Süden des Landes aufgerufen, die sich seinen Angaben zufolge gegen die rivalisierenden sunnitischen Extremistengruppen Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap) und IS richten soll.
Bei all diesen Houthi-Operationen soll Teheran seine Finger im Spiel haben. Wie stark der Iran im Jemen involviert ist, zeigt sich dadurch, dass die Perser das Land seit März mit mehreren Flügen anfliegen und auch technisches Know-how zur Unterstützung geliefert haben sollen. In Sanaa sollen sich zudem "iranische Beobachter" aufhalten. Houthi kritisierte den Präsidenten als "Marionette in den Händen der Kräfte des Bösen, angeführt von den Vereinigten Staaten". Ein Vorwurf, den man immer wieder auch von Teherans Führung gehört hatte. Die Saudis müssen sich nun also doppelt vorsehen. Nicht nur der Iran, sondern auch der IS klopfen unmittelbar an der Grenze zum Ölmagnaten an der Tür. Während Saudi-Arabien sich Rückendeckung aus Washington holt, bedient sich der Iran eher seinen Unterstützergruppierungen Hamas und Hisbollah. So kommt es, dass Riad mit dem Regime des syrischen Machthabers Bashar al-Assad einen wichtigen Verbündeten des Iran bekämpft und der bahrainischen Opposition vorwirft, von Teheran unterstützt zu werden. Dabei wird die saudische Führung rund um den 80-jährigen Monarchen Salman nicht nur von machtpolitischen, sondern auch von religiös-ideologischen Erwägungen geleitet.
Riad fürchtet "die fünfte Kolonne Teherans"
Denn sie sieht die bahrainischen und die arabischen Schiiten schon aufgrund der gemeinsamen Konfession als "fünfte Kolonne" der ebenfalls schiitischen Islamischen Republik. Das Credo dieser Politik ist laut Beobachtern leicht erklärt: Die Sunniten sind in der Mehrzahl in der Region, der Iran hat zudem ein ohnehin zwielichtiges Atomprogramm, also darf der schiitische Gottesstaat keinesfalls zu mächtig werden. Zur Not muss man dieses Credo auch der Moslembruderschaft in Ägypten, aber auch den mit dem Iran eher befreundeten Türken zu verstehen geben. Ein sunnitisches Dreieck steht dem wachsenden schiitischen Halbmond gegenüber. Aufgrund der konfessionellen Gemengelage sind die Anrainerstaaten des Persischen Golfs nun das Epizentrum. Hier begegnen sich der Antischiismus des saudischen Königshauses, der Wunsch nach Macht der größten schiitischen Gemeinden der Arabischen Welt und die iranischen Großmachtfantasien.