Zum Hauptinhalt springen

Spiegelbild der Schwäche

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wenn es also nach den burgenländischen Blauen gehen würde, käme Rot-Blau unter einem Kanzler Doskozil und einem Vize Hofer. Das dürfte auch nach dem Gusto der pannonischen Sozialdemokratie sein. Nur offen sagen tun sie es zur Erleichterung von Parteichefin Rendi-Wagner nicht.

"Erwischt!", schallt es aus den Reihen der Türkisen, die wissen, dass die Erzählung von Rot-Blau vor allem die SPÖ ärgert. Dabei muss die ÖVP nicht einmal Luftschlösser bauen, weil es ja neben dem Burgenland ja auch noch Tirol gibt, wo die rot-blaue Abneigung gegen Schwarz/Türkis so groß ist, dass die eigenen Differenzen das weit kleinere Übel sind. Dabei sind sich ohnehin alle einig, dass eine Fortsetzung der eben erst zerbrochenen türkis-blauen Koalition das viel wahrscheinlichere Szenario ist. Trotz der absehbaren Widerstände.

Das ständige Spekulieren über Koalitionen ist einer jener Aspekte der Innenpolitik, der dieser den Ruf grundsätzlicher Unernsthaftigkeit eingetragen hat. Objektiv ist es ja so, dass von den drei Mittelparteien ÖVP, SPÖ und FPÖ jeder mit jedem kann, wenn es nur die eigenen Interessen und Machtperspektiven empfehlen. Dass die Aussicht auf Rot-Blau die SPÖ derzeit zerreißen würde, ist dabei das belastbarere Argument dagegen als der Verweis auf einen gültigen Parteitagsbeschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene.

Die Wähler stehen diesem Alles-ist-möglich hilflos gegenüber. Die Bürger verteilen Blankoschecks an die Parteien, die im Namen ihrer Wähler nach eigenem Gutdünken mit den errungenen Stimmen wuchern. Gewählt werden bei Nationalratswahlen eben weder Bundeskanzler noch Koalitionen, sondern einzig und allein 183 Abgeordnete, die bisher noch nie ein politisches Eigenleben nach Wahlen entwickelt haben, wie es die verfassungsrechtliche Fiktion des unabhängigen Mandatars eigentlich vorsieht.

Das zu ändern, ist gar nicht so leicht, wie viele immer behaupten. Die Parteien könnten sich wie in etlichen europäischen Staaten bereits vor Wahlen zu Bündnissen verabreden, die im Fall einer Mehrheit dann auch zusammen regieren. Das würde die großen Parteien dritteln: die ÖVP in einen türkis-blauen und schwarz-roten Teil sowie einen türkis-grün-pinken Splitter - und die Kleinen mindestens halbieren. Die Zahl der Parteien im Parlament würde sich mindestens verdoppeln. Das ist keine erstrebenswerte Aussicht.

Bleibt als Ausweg eine erhöhte Dosis an Ernsthaftigkeit. Schwer genug in einem Land, dessen aktuelle politische Verfasstheit die sozialen Dysfunktionalitäten der Gesellschaft besser widerspiegelt als ihre Stärken. Als Letztere wären zu nennen: Pragmatismus, Kompromissfähigkeit und Hochleistungsbereitschaft.