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"Mittel zum Zeitgewinn" in einer sicherheitspolitisch verfahrenen innenpolitischen Situation sind für den Sicherheitsexperten Friedrich Korkisch sowohl der ÖVP-Vorstoß für eine europäische Beistandsverpflichtung als auch die SPÖ-Forderung nach einer Europa-Armee auf freiwilliger Basis. Frühestens in zehn Jahren werden sich in Europa die Grundrisse einer handlungsfähigen Sicherheitsarchitektur abzeichnen, ist Korkisch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" überzeugt.
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Für beide Konzepte sieht Korkisch erhebliche Widerstände innerhalb der EU. Während der VP-Vorschlag bei Briten, Dänen, Portugiesen und Italiener auf dezidierte Ablehnung stößt, haben die europäischen Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit alles getan, um die politische Umsetzung der Idee einer gemeinsamen Europa-Armee, die erstmals 1996 von Frankreich angedacht wurde, auf die lange Bank zu schieben.
Korkisch interpretiert den ÖVP-Vorschlag vor dem Hintergrund der laufenden Sondierungsgespräche als "Brücke" zur SPÖ, mit dem Nebeneffekt, die zwischen ÖVP und SPÖ politisch äußerst umstrittenen und in der Bevölkerung angesichts massiver Sparzwänge unpopulären Investitionen in die Ausrüstung des Bundesheeres auf die lange Bank zu schieben. Begründet könnte dies damit werden, vermutet Korkisch, dass man ja heute noch nicht sagen könne, welche Rolle und spezifischen Aufgaben Österreich in einer zukünftigen europäischen Sicherheitsstruktur wahrzunehmen habe.
Die verfahrene sicherheitspolitische Diskussion erklärt Korkisch aus der Entwicklung der letzten 10 Jahre, die zu einer beständigen Aushöhlung der Neutralität geführt habe. Österreich trat 1994 der NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfP) bei. Dies verpflichtete dazu, die eigenen militärischen Führungs- und Organisationsstrukturen mit jenen der NATO kompatibel zu gestalten. Mit dem EU-Beitritt 1995 übernahm Österreich die Verpflichtung zur Mitwirkung an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Diese wurden jedoch seitens der SPÖ lediglich als Absichtserklärung - und damit als Neutralitäts-kompatibel - interpretiert. Dass in den Verträgen jedoch auch die Verknüpfung von NATO und EU-Verteidigung explizit festgeschrieben steht, wurde stillschweigend übergangen, so Korkisch.
Vergleiche mit anderen EU-Neutralen "hinken"
Unzulässig sind für Korkisch in diesem Zusammenhang Vergleiche Österreichs mit den übrigen "neutralen" EU-Mitgliedern Irland, Schweden und Finnland. So erlaube etwa Irlands historische und geostrategische Position keinen Vergleich. Zudem sei die irische Neutralität auf das historisch prekäres Verhältnis mit dem übermächtigen Nachbarn Großbritannien ausgerichtet gewesen. Schweden hat - im Gegensatz zu Österreich - niemals seine immerwährende Neutralität erklärt; diese bezog sich stets nur auf einen konkreten Krieg zwischen Dritten, für den sich Schweden neutral erklärte. Und auch Finnland ist streng genommen nicht neutral sondern "paktfrei". Heute steht das nordeuropäische Land, das seine Paktfreiheit mit Blick auf die ehemalige Sowjetunion formulierte, unmittelbar vor der Aufnahme von Gesprächen mit der NATO, die auf die Perspektive eines Beitritts für 2005 oder 2007 hinaus laufen.
Prognose: Zusammenschluss von NATO und EU
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund rechnet Korkisch langfristig mit einer Integration von NATO und EU im Rahmen einer zukünftigen europäische Sicherheitsstruktur.
Die derzeit bestehenden probleme im transatlantischen Verhältnis - die etwa in der Frage eines militärischen Vorgehens gegen den Irak Saddam Husseins deutlich werden - will er nicht überbewerten: Solche Brüche habe es in den Beziehung zwischen den USA und Europa seit 1945 immer wieder gegeben.