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Spiel der Zeichen

Von Brigitte Suchan

Reflexionen
Schmuck zu tragen, ist ein Statement
© Corbis

Das Bedürfnis, sich zu schmücken, ist so alt wie die Menschheit. Durch Schmuck wird heute wie einst ein gesellschaftlicher Status dokumentiert.


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"Diamonds are a girl's best friend", sang Marilyn Monroe einst im Film "Gentlemen Prefer Blonds" und schuf damit die Hymne aller "Material Girls". Diamanten als beständige Wertanlage, die frau auch dann beruhigt schlafen lässt, wenn Schönheit und Liebe dahin sind. Eine - zugeben polemische - Blitzumfrage unter Freundinnen, wofür sie sich entscheiden würden, wenn sie zwischen einem Fünfkaräter und einem passablen Mann wählen könnten, ging fifty-fifty aus. Für den Diamanten entschieden sich vor allem jene, die schon ein männliches Prachtexemplar zu Hause haben. Offenbar will man immer das, was man gerade nicht hat.

Schmuck geht aber über die bloße Wertanlage weit hinaus. Derzeit sind voluminöse Ketten und Armreifen en vogue aus Materialien, die nur optisch etwas hergeben müssen. Sie dokumentieren nicht den Reichtum ihrer Trägerin, sondern deren Modebewusstsein und weisen sie als Trendsetterin aus. Durch das Tragen bestimmter Schmuckstücke wird so auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zum Ausdruck gebracht. Der Schmuck dient somit also auch der Verständigung untereinander. Das gilt nicht nur für Gruppen wie Punks oder Gothics, sondern ebenso für die sogenannten höheren Gesellschaftsschichten. Designerschmuck hat selten den Wert, den man aufgrund des Preises erwarten könnte, aber man signalisiert durch leicht wiedererkennbare Markenware, wo man hingehört oder gerne dabei wäre.

Schmuck zu tragen, ist ein uraltes Motiv, das man in allen Gesellschaften und allen Epochen findet, erklärt die Motivforscherin Helene Karmasin im Gespräch mit dem "Wiener Journal". Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Schon die Steinzeitmenschen schmückten sich mit Ketten aus Muscheln oder Schnecken. In einer südafrikanischen Höhle haben Wissenschafter den weltweit bisher ältesten Schmuck entdeckt, der sich eindeutig datieren lässt. Die 75.000 Jahre alten, durchbohrten Schneckenhäuser stammen aus der afrikanischen mittleren Altsteinzeit und waren offensichtlich Teil einer Halskette. "Der Mensch braucht immer auch etwas Unfunktionales und nicht nur die täglichen Dinge des Lebens", ist Karmasin überzeugt. Schmuck hat sehr vielschichtige Bedeutungen. Neben der dekorativen Funktion und dem materiellen Wert haben verschiedene Schmuckstücke auch immer schon einen symbolischen Sinn besessen.

Als "heraldisches Objekt", wie die Wiener Motivforscherin ausführt, zeigt Schmuck den Status seines Besitzers an, der sich durch das Tragen gewisser Insignien von Macht und Einfluss als etwas Besonderes präsentiert und sich auch selbst so empfindet. Das Zurschaustellen von kostbarem Geschmeide zeigt auch, dass man über das nötige freie Kapital verfügt, sich solche Pretiosen leisten zu können. "Schmuck ist immer eine Art von Statement", meint Helene Karmasin, "und es wird damit eine Botschaft vermittelt, ob man das nun will oder nicht." Schmuck gibt es in verschiedenen Preisklassen und Stilrichtungen, wofür man sich entscheidet, sagt etwas über die Persönlichkeit und den gesellschaftlichen Status aus. "Die Perlenkette und die Diamantohrstecker weisen deren Trägerin zum Beispiel als Oberschichtlady aus", so Karmasin, während mancher moderne Schmuck, der schon mehr einem Kunstwerk ähnelt, einem avantgardistischen Statement gleichkomme.

Schmuck zu tragen, ist in unserer heutigen Gesellschaft vor allem den Frauen vorbehalten. Während sich zum Beispiel im Barock wohlhabende Männer noch mit prächtigen Halsgeschmeiden schmückten, müssen sich die Herren der Schöpfung heutzutage fragen, ob sie die Botschaft, die sie durch das Anlegen von dicken Gold-

armbändern und Halsketten vermitteln, auch wirklich beabsichtigen. "Für Männer sind eigentlich nur Uhren erlaubt", meint Helene Karmasin. Auch für Kinder hält sie Schmuck nicht geeignet. "Weil sie noch nicht zur Erwachsenenwelt gehören, können sie beim Spiel der Zeichen noch nicht mitmachen."

"Schmuck hatte aber auch oft eine magische oder rituelle Funktion", führt Karmasin aus. Schon im alten China, Ägypten, im antiken Griechenland oder im Römischen Reich wurden Edelsteine als Glücksbringer und als Heilmittel eingesetzt oder sollten böse Geister abhalten. Überbleibsel ritueller Schmückungen ist zum Beispiel der Ehering, der bereits in der Antike bekannt war. Sowohl die alten Ägypter als auch Römer trugen den Trauring am Ringfinger der linken Hand. Der Grund dafür war der Glaube, dass eine Ader von diesem Finger direkt zum Herzen und damit zur Liebe führt. Allerdings trugen im antiken Rom nur die Frauen einen Ehe- oder Verlobungsring. Letzterer war meist aus Eisen und galt als Zeichen der Bindung, vor allem aber auch als "Empfangsbestätigung" für die Mitgift.

Mit dem Schenken oder Tragen bestimmter Schmuckstücke wurden auch gravierende Einschnitte in einem Leben dokumentiert. Man denke nur an den Trauerschmuck. Bis in frühe Zeiten lässt sich für den Bereich von Tod, Trauer und Gedenken eine besondere Rolle von Schmuck belegen. So ist aus den meisten frühen Kulturen Schmuck als Grabbeigabe überliefert. Aus der römischen Antike ist der Brauch des Schmuckablegens im Trauerfall bekannt. Bereits seit dem 14. Jahrhundert wurde in England der Brauch des Gedenkrings praktiziert. Dazu verfügte der Erblasser testamentarisch, dass Ringe als Erinnerungsstücke an die Beerdigungsteilnehmer verteilt wurden. Die strenge Hof- und Staatstrauer, die Königin Victoria beim Tod des Prinzgemahls Albert 1861 anordnete, führte zu einer Steigerung des Bedarfs an Traueraccessoires auch bei weniger wohlhabenden Kreisen. Die Modezeitschriften des ausgehenden 19. Jahrhunderts propagierten diese Entwicklung und etablierten so einen neuen Aspekt von Schmuck: den Modeschmuck.

Trauerschmuck wurde hauptsächlich aus Jett gefertigt. Unter Jett versteht man politurfähige, schwarze Braunkohle, auch Pechkohle genannt, die bereits in prähistorischer Zeit verarbeitet wurde. Im Sisi Museum in der Hofburg werden übrigens einige besonders kostbare Trauerschmuckstücke der Kaiserin Elisabeth gezeigt.

Wert und Preis. Wie wertvoll die Stücke, die man trägt, tatsächlich sind, spielt, so scheint es, eine untergeordnete Rolle. Zum großen Erstaunen aller war die dreireihige Perlenkette, die Jackie Kennedy so oft trug, bloß Modeschmuck. Bei einer Auktion im August erzielte die Kette dennoch 30.000 Euro. Für den Käufer war sie es offenbar wert.

Der Wert von Schmuck lässt sich laut Helene Karmasin in drei Kategorien einteilen. Der Prime Value sagt etwas über die Bestandteile wie etwa Gold oder Edelsteine aus. Mit dem Labour Value wird der Wert, der aus der Bearbeitung der Materialien entsteht, bezeichnet. Vor allem bei Silberschmuck wird der bloße Marktwerk durch kunstfertige Gestaltung deutlich gesteigert. Symbolic Value drückt die Symbolkraft eines Schmuckstückes aus, mit dem man zum Beispiel eine Gruppenzugehörigkeit demonstrieren möchte.

Last but least hat Schmuck auch eine starke hedonistische Komponente, fügt Karmasin hinzu. Das Vergnügen am Anblick oder am Tragen schöner Stücke zeichnet viele Schmuckliebhaber aus.

Ob es ein weibliches Schmuck-Gen gibt, wie ein Kollege vermutete, ließ sich im Zuge dieser Recherchen nicht verifizieren.

Carol Woolton: Seide und Geschmeide

100 Jahre Schmuck und Mode - Eine Stilgeschichte. ISBN: 978-3-7913-4483-6, Verlag Prestel. Preis: 41,10 Euro

Was wäre ein Tweedkostüm ohne Perlenohrringe? Was ein sexy Damensmoking ohne Taschenuhr? Was die Abendrobe ohne funkelndes Collier? Richtig: Es fehlt etwas der letzte Schliff, der aus Mode ein Statement macht. In opulenten Bildern zeigt dieser Band die wichtigsten Mode- und Schmuckkreationen des vergangenen Jahrhunderts sowie ihre Träger und Schöpfer.