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Spielball der Großen im Mittelmeer

Von Andrea K. Riemer

Politik

Zypern - dem Objekt der Begierde zahlreicher Großmächte ist der 4. Teil der "WZ"-Serie über Staaten und Strategien gewidmet. Ihrer strategisch günstigen Lage im östlichen Mittelmeer, wo sich die Seewege zwischen Europa, Asien und Afrika kreuzen, verdankt die Insel - nicht selten sehr zum Leidwesen ihrer Bewohner - bereits seit dem Altertum das gesteigerte Interesse der Mächtigen. Und dieses hält bis heute an, wie das Ringen um einen Beitritt der geteilten Insel zur EU vor Augen führt. Am 1. Mai trat vorerst dennoch, nach einem gescheiterten Referendum, nur der griechische Teil Zyperns bei.


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Helenen, Römer, Byzantiner, Venezianer, Osmanen, Briten und schließlich die US-Amerikaner. Zypern spielte auch nach dem Zweiten Weltkrieg eine wesentliche Rolle in den strategischen Überlegungen der beiden Supermächte USA und Sowjetunion.

Vor allem die US-Mittelmeerpolitik kalkulierte mit Zypern und basierte auf folgenden Zielen: Beibehaltung der Seeüberlegenheit; Stärkung der NATO; Unterstützung Griechenlands und der Türkei gegen sowjetische Einflussnahme; Unterstützung Jugoslawiens in seinem Bestreben nach Blockfreiheit; Eindämmung sowjetischer Annäherungsversuche an arabische Staaten; Schutz Israels. Zypern spielte in diesem "Ziel-Konzert" stets eine wichtige Rolle.

Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion hat die Insel nach wie vor eine hohe Bedeutung und gilt als Schnittpunkt verschiedenster Interessen:

Wenngleich es keine klassische Eindämmungspolitik mehr gibt, sind die USA nach wie vor daran interessiert, Russlands Einfluss im östlichen Mittelmeer nicht zu groß werden zu lassen. Die sensible Reaktion der USA auf die beabsichtigte Stationierung der S-300 Raketen 1997/98 ist in diesem Licht zu interpretieren.

Zypern gilt als Informationsdrehscheibe. Die CIA unterhält hier eine ihrer wichtigsten Außenstellen. Die Abhörstation von Episkopi nördlich von Akrotiri fängt diplomatische und militärische Informationen aus dem Nahen Osten ab.

Die Insel spielt in den Überlegungen der USA, die zu einer Befriedung des gesamten Mittleren Ostens führen sollen, eine wesentliche Rolle. Aufgrund der darin vorgesehenen Rolle für die Türkei - als Beispiel für einen demokratischen islamischen Staat - kann man Zypern nicht aus den Überlegungen ausklammern. Ein friedlich gelöstes, Jahrzehnte langes multiethnisches Spannungsfeld, wie es auf Zypern zwischen Griechen und Türken besteht, hätte auch für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern eine positive Beispielwirkung haben können. Die USA haben sich daher in der Konfliktlösung besonders engagiert und waren verständlicherweise entsprechend verärgert, als sich eine Ablehnung des von der Bush-Administration massiv unterstützten Annan-Plans abzeichnete.

Großbritannien verfügt nach wie vor über zwei souveräne Militärstützpunkte, die aufgrund fester Vereinbarungen errichtet wurden und auf die man in Nikosia keinerlei Einfluss hat. Die Flottenbasis Dhekelia und die Luftwaffenbasis in Akrotiri gehören zu den wichtigsten Überseestützpunkten Großbritanniens und haben auch für die NATO eine wesentliche strategische Bedeutung im Mittelmeer (neben den Stützpunkten auf Kreta). Die Briten verfügen zudem über eine Radarstation auf dem Berg Troodos, der mitten auf der Insel gelegen ist, und über verschiedenen Sonderprivilegien wie z. B. über einen Hubschrauberlandeplatz in der Grenzzone.

Die EU befindet sich nun in einem komplexen Strudel an Themen, der neben dem Beitritt Zyperns auch die Beitrittsambitionen der Türkei, den unverhohlenen Druck seitens der USA, die täglich instabilere Lage im Nahen Osten und die mindestens ebenso schwierige Lage im Irak - inklusive ständiger Terrordrohungen - umfasst.

Zudem trat die große Erweiterungsrunde mit 1. Mai in Kraft. Umso wichtiger wäre angesichts der komplexen Problematik im Rahmen der Stabilisierung des Mittleren Ostens eine Lösung der Zypernfrage gewesen. Der Katzenjammer ist bei allen Beteiligten dementsprechend groß.

Griechenland hat sich auf die Eindämmung des türkischen Einflusses im Bogen vom Balkan bis Zentralasien und Kaukasus als primäres Ziel der griechischen Außenpolitik festgelegt. Für die Türkei sind ebenfalls nationalistische Gedanken und strategische Überlegungen in der Zypernfrage ausschlaggebend. Die Insel und das Festland sind nur durch 70 km getrennt. Eine eventuelle Öl-Pipeline aus Zentralasien mit dem Endhafen Ceyhan würde durch die "gegenüber" liegenden Truppen auf Nordzypern geschützt werden. Darüber hinaus sind für die Türkei die Zypernfrage und ihre eigenen EU-Beitrittsambitionen stark verbunden. Das Land hat sich mit seinem Verhalten in der letzten Verhandlungsrunde einen Bonus für die eigene Position geschaffen.

Die Chance auf die Einigung wurde vorerst vertan - nicht erst heuer, sondern bereits in den vielen Jahren zuvor. Abzuwarten bleibt, wann sich die nächste Möglichkeit ergibt.