Libanons Premier Saad Hariri ist zurück in Beirut. Sein Land ist zwischen die saudisch-iranische Front geraten.
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Bagdad. Gute Nachrichten für den Libanon: Saad Hariri ist zurück in Beirut. Mit Spannung wurde erwartet, ob der libanesische Premier seine Ankündigung wahr macht und zum Unabhängigkeitstag in sein Land zurückkehren wird. Symbolträchtig nahm er am Mittwoch an den Feierlichkeiten teil an der Seite von Präsident Michel Aoun, um danach zu verkünden, er werde seinen vor knapp drei Wochen annoncierten Rücktritt überdenken und erst einmal in seinem Amt verbleiben.
Aoun hatte den Rückzug des Premiers abgelehnt, weil dieser in Saudi-Arabien erfolgte und nicht auf "libanesischem Boden", wie der Präsident als Begründung angab. Dass er auf die Rückkehr des Premiers bestand, stellt sich nun als klugen Schachzug heraus. Er wolle auf Bitten Aouns mit seiner Entscheidung noch warten, sagte Hariri später im TV. Es sollten so noch Gespräche mit der Regierung über die Hintergründe seines Schrittes ermöglicht werden.
"Die Saudis stecken dahinter"
Aoun hatte Hariris Verbündetem Saudi-Arabien vorgeworfen, den sunnitischen Politiker festzuhalten. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah erklärte, Hariri sei zum Rückzug gezwungen worden. Hariri selbst hatte bei seiner Rücktrittserklärung ein Mordkomplott angedeutet und die Hisbollah beschuldigt, für Unruhe zu sorgen. Der 47-Jährige sprach von der Angst vor einem Attentat. Schon sein Vater Rafiq Hariri - ebenfalls Ministerpräsident - war 2005 einem Anschlag zum Opfer gefallen. Unmittelbar nach seiner Rückkehr in den Libanon am Dienstagabend, besuchte der Sohn das Grab des ermordeten Vaters.
"Na klar, stecken da die Saudis dahinter", analysiert "Spiegel"-Korrespondent Christoph Reuter, der in Beirut lebt, die Lage. Von mysteriösen Hintergründen könne keine Rede sein. Es gehe hier um rein saudische Machtinteressen. Saudi Arabien finanziere Hariri, seinen Clan und seine Partei. Der libanesische Premier sei finanziell abhängig vom saudischen Königreich am Golf. Er sei unter Druck gesetzt worden und musste gehorchen.
Neben der libanesischen besitzt Hariri die saudische Staatsbürgerschaft. Nach seiner Rücktrittserklärung waren Sorgen aufgekommen, im Libanon könne ein neuer Stellvertreterkonflikt zwischen dem sunnitischen Königreich Saudi-Arabien und dessen schiitischem Erzrivalen Iran entstehen. Saudi-Arabien wirft der Hisbollah und deren Schutzmacht Iran vor, in der Region Unruhe zu stiften. Hariri wurde zum Spielball. Doch die Saudis waren dumm, bringt es Reuter auf den Punkt. Sie hätten die Konsequenzen nicht bedacht, als sie Hariri zum Rücktritt beeinflussten. Denn der sei jetzt beliebter denn je und damit stärker.
Nationale Mobilmachung
Alle politischen Fraktionen im Libanon drängten auf seine Rückkehr, verlangten die Heimkehr des in Riad verlorenen Sohnes. Die Sympathiekundgebungen für den sunnitischen Premier nahmen Massendemonstrationscharakter an. In Beiruts Straßen hängen Plakate mit dem Konterfei des Premiers, Bilder von ihm vor der libanesischen Flagge, Banner mit Jugendbildern Hariris und dem Slogan "Wir wollen unseren Premier zurück". Selbst Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, Hariris ärgster Widersacher, schlägt gemäßigte Töne an und heißt den Premier willkommen zurück im Libanon. So viel Unterstützung hatte Hariri vordem nie. Im Zedernstaat herrscht ein kompliziertes politisches Geflecht aus ethnischem und religiösem Proporz. Der Präsident ist stets ein Christ, der Premier Sunnit, der Parlamentspräsident Schiit. Hariris Schicksal scheint sie alle zu einen - zumindest für den Moment.
Um zurück nach Beirut zu kommen, nahm Hariri einen Umweg über Paris und Kairo. Warum er das tat, liegt aber auf der Hand. Als ehemalige Mandatsmacht hat Frankreich noch immer starken Einfluss in der Levante und versucht eine Politik des Ausgleichs zwischen Saudi-Arabien und Iran. Viel wurde über die Unterredung mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht bekannt. Doch Gesten verraten oft mehr als Worte. Beim Abschied klopfte der Franzose dem Libanesen ermunternd auf die Schultern, seine Frau Brigitte sprach ihm wohlwollend zu, als wolle sie sagen: "Das wird gutgehen, du wirst sehen." Daraufhin trat Hariri vor die Mikrofone der wartenden Journalisten und verkündete seine Rückkehr in den Libanon.
Und Kairo? Zentrum und Sitz der Arabischen Liga, jenem Staatenbund, dem auch der Libanon angehört. Demonstrativ unterstrich Hariri mit diesem Schritt seine arabisch-sunnitische Herkunft. Denn Kairo ist auch Sitz der höchsten religiösen Instanz der Sunniten - Al Azhar. Unbestritten ist der Einfluss der schiitischen Hisbollah in seinem Land gestiegen. Seit dem Engagement der Schiitenmiliz im Syrienkrieg auf der Seite Assads und den zunehmenden Gewinnchancen, scheint die vom Iran finanzierte und kontrollierte Hisbollah nicht mehr zu bremsen. "Ich weise mit aller Klarheit darauf hin, dass der Iran überall, wo er sich einmischt, nur Aufruhr, Zerstörung und Verwüstung verbreitet", sagte Hariri in Paris und machte deutlich, worum es ihm geht. Als Beweis für den Einfluss Irans gelte die Einmischung in die inneren Angelegenheiten arabischer Länder wie Libanon, Syrien, Irak, Bahrain und Jemen.
Dass der Iran sich in die Angelegenheiten des Libanon einmische, wiesen die Führung in Teheran und die mit ihr verbündete Hisbollah-Miliz zurück. Sie beschuldigten Saudi-Arabien, im Libanon Einfluss nehmen zu wollen und Hariri in Saudi-Arabien festzuhalten. Der Konflikt im Libanon ist noch lange nicht zu Ende, auch wenn Hariri vorerst wieder zuhause ist.