Der Salzburger Finanzskandal beweist: Neun Bundesländer mit der Lizenz zum Zocken - das kann nicht gutgehen.
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Das beste Argument gegen die Demokratie, soll Winston Churchill einmal gespottet haben, sei "ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler". Nach den jüngsten Ereignissen in Salzburg könnte man ergänzen: Und das beste Argument gegen Österreichs Föderalismus ist ein fünfminütiger Blick in die Zeitung zum Thema "340 mutmaßlich verspekulierte Millionen Steuergeld".
Denn das Problem, das hier sichtbar wird, sind nicht eine ausgerastete Beamtin mit der Vollmacht zum Zocken, ein mit Blindheit geschlagener Finanzlandesrat oder eine hochgradig ahnungsbefreite Landeshauptfrau - sondern es ist der Föderalismus per se. Dessen grundlegend fehlerhafte Konstruktion - die Länder geben Geld aus, das sie nicht selbst einnehmen, sondern vom Bund bekommen - motiviert wie kein anderes denkbares Modell zu Missbrauch, Vergeudung und Spekulation. Niemand ist seelisch so gefestigt, dass er/sie mit anderer Leute Geld nicht etwas nonchalanter umginge als mit dem eigenen; schon gar nicht gilt das für Politiker, die sich auf einen regelmäßigen Scheck aus Wien verlassen können.
Es wird daher auch keine zufällige Anhäufung bedauerlicher Einzelfälle, wenn nun immer mehr Fehlspekulationen, gestrandete Geschäfte und Katastrophenkredite von Ländern, Gemeinden und anderen mit unfreiwilligen Haftungen der Steuerzahler ausgestatteten Institutionen publik werden. Noch liegen keine genauen Beträge über die Risiken und absehbaren Schäden vor, doch es dürfte ein durchaus stattlicher einstelliger Milliardenbetrag sein.
Damit stehen die Chancen nicht schlecht, dass Länder, Städte, Gemeinden und staatsnahe Unternehmen den Steuerzahlern höhere Kosten durch gestrandete Spekulationsgeschäfte zugefügt haben als die so viel gescholteten Banken (wenn wir den Kriminalfall Hypo Alpe Adria einmal exkludieren).
Man kann es daher getrost als gefährliche Drohung verstehen, dass Tirols Landeshauptmann Günter Platter sich nun dagegen wehrt, dass "Tirols Finanzautonomie" beschnitten werden könnte, um ein Salzburg 2.0 zu verhindern. Dass auf der einen Seite sogar die nationalen Parlamente ihre Finanzautonomie partiell an die EU abtreten werden müssen, Kleinstprovinzen aber eine Art Lizenz zum Zocken samt de facto unbegrenzter Haftung des Bundes haben sollen, wird nicht ganz einfach zu vermitteln sein. Stattdessen gehört der Föderalismus in seiner heutigen Form entsorgt. Wollen die Länder tatsächlich "Finanzautonomie", wäre nur logisch, dass sie auch die dazugehörigen Steuern selbst eintreiben, und zwar im gegenseitigen Wettbewerb. Und wenn sie sich verzocken, müssen sie eben die gleichen Konsequenzen wie jeder andere Pleitier tragen. Die einzige andere vernünftig denkbare Alternative dazu wäre die Reduktion der Länder auf ihre folkloristischen Qualitäten, also im Grunde ihre weitgehende Abschaffung.
Löste - was leider nicht anzunehmen ist - der Salzburger Skandal einen Umbau des Föderalismus in eine dieser beiden Richtungen aus, wären die vergurkten 340 Millionen sogar ganz gut angelegtes Geld.
ortner@wienerzeitung.at