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Spielen, essen, lernen in der Schule

Von Petra Tempfer

Politik
Lebensraum Ganztagsschule: Unterrichts-, Lern- und Freistunden wechseln einander über den Tag verteilt ab. Foto: corbis

Verpflichtende Anwesenheit von 8 bis 15.30 Uhr. | Die Stundenzahl bleibt gleich. | Wien. Tratschend und lachend strömen die Kinder durch das Tor der Volksschule in der Zieglergasse 21. Es ist 8 Uhr - erst um 15.30 Uhr wird der Großteil der Kinder das Haus wieder verlassen. Bis dahin wechseln in den meisten Klassen Unterrichts-, Lern- und Freistunden einander ab. Wird die Schule in Wien-Neubau doch vorwiegend als verschränkte Ganztagsschule (GTS) geführt. Nur eine Klasse hat reinen Vormittagsunterricht. | Alles über die Volksbefragung in Wien


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"Die wenigsten wissen, was eine GTS ist", meint Direktorin Beatrix Handschmann zur "Wiener Zeitung". Was angesichts der Volksbefragung von 11. bis 13. Februar, bei der auch über das flächendeckende GTS-Angebot in Wien entschieden werden soll, eine erschreckende Tatsache sei.

Das Lärmen der Kinder, das in den Gängen widerhallt, verstummt allmählich. "Jetzt hat die Stunde begonnen", erklärt Handschmann - an der Anzahl von 20 Wochenstunden habe sich trotz GTS nichts geändert. "Bis 15.30 Uhr bleiben die Klassen auch in den Lernstunden zusammen", erklärt die Direktorin. Der freiwillige Aufenthalt dauere von 15.30 bis 17.25 Uhr.

Nur bei der Freizeitgestaltung verteilen sich die Kinder. Auf der Orientierungstafel im Erdgeschoß mischen sich "Brettspiel" und "Tanz" zwischen "Handball" und "Schülerzeitung". Da werden die ersten Türen schon wieder aufgerissen: Zeit zum Mittagessen. Schnell füllen sich die bunten Plastiksessel des Speisesaals. "Die Suppe mag ich nicht", meint der siebenjährige Mario skeptisch, "den Bioreis schon!"

Billiger als offene Schule

Eine Mahlzeit kostet 3,17 Euro, "für die Nachmittagsbetreuung sind maximal fünf Euro pro Schultag zu bezahlen", fügt Handschmann hinzu. Ermäßigungen bis hin zum Nulltarif seien möglich.

Um die flächendeckende Versorgung an GTS zu gewährleisten, fehlen noch etwa 20 Schulen, so Michaela Zlamal, Sprecherin von Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ). Mit dem Ziel, pro Bezirk mindestens eine anzubieten, könnten auch bestehende Schulen umgebaut werden. Derzeit werden 23 Volks- und Hauptschulen ganztägig geführt

"Wird ein 17-klassiger Neubau errichtet, werden 25 Lehrer und 23 Betreuer benötigt", rechnet Zlamal vor - angesichts des Lehrermangels in ihren Augen kein Problem, "weil die Stundenzahl in GTS ja gleich bleibt und die pädagogischen Hochschulen voll sind." Nicht zu verleugnen sind jedoch die Kosten, die bei einem Neubau entstehen: Laut Zlamal rund 32 Millionen Euro, der jährliche Betrieb koste etwa 2,3 Millionen Euro. Eine offene Schule mit Nachmittagsbetreuung sei jährlich um rund 50.000 Euro teurer, weil das Freizeitangebot oft von schulexternen Personen angeboten werde.

Dass sich ältere Schüler vielleicht nicht mehr so gern in dieses Korsett zwängen lassen, gibt auch Handschmann zu bedenken. "Älteren müsste durch ein flexibleres Angebot mehr Selbstständigkeit zugestanden werden", schlägt sie vor. "Inhaltlich wird man die Freizeiteinheiten auf das Alter abstimmen müssen", pflichtet ihr Zlamal bei. Denn alle allgemein bildenden Pflichtschulen und die AHS-Unterstufe könnten als GTS geführt werden. Österreichweit sei Wien dabei Vorreiter.

Andreas Ehlers, Elternvereins-Vorsitzender an den Wiener Pflichtschulen, spricht sich jedenfalls für GTS aus. Immerhin belegten Pisa-Studien deren positive Effekte etwa im skandinavischen Raum. Überdies sei derzeit laut einer AK-Studie jeder zehnte Schüler mit berufstätigen Eltern nachmittags allein.

Die ÖVP scheint dennoch anderer Meinung zu sein und führte eine Telefonumfrage durch. Diese habe laut VP-Landeschefin Christine Marek andere Ergebnisse gebracht "als wenn die von der SPÖ formulierten Suggestivfragen gestellt würden." Kinder dürften zum ganztägigen Schulbesuch nicht verpflichtet werden. Herbe Kritik, die Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) auf den Plan ruft. Denn bei der GTS gehe es nicht um Zwang, sondern um "Angebot".

Dass der Bedarf an GTS groß ist, wird von Handschmann bestätigt: "Ich könnte jährlich doppelt so viele Klassen aufmachen."