"Gamification" war ein Trend, nun scheint er angekommen zu sein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Hans und Maria stehen in einer Bankfiliale. Er vor, sie hinter dem Schalter. Rundherum viele andere Menschen, manche haben Hörner auf dem Kopf, andere haben blaue Haare. Plötzlich Aufregung. Ein Banküberfall? Mitnichten, eine ganze Gruppe neuer Bankkunden mit neuen Anliegen betritt die Filiale, nun heißt es zusammenarbeiten, sicherstellen, dass ein neuer Schalter geöffnet wird und vieles andere mehr.
Es klingt auf den ersten Blick vielleicht seltsam, ist aber ein typisches Setting für eine Gamification-Anwendung in der Praxis. Es handelt sich natürlich nicht um eine echte Person mit Hörnern auf dem Kopf und eine reale Bankfiliale. Es existiert alles nur virtuell. Als Schauplatz für ein Rollenspiel. Die Mitarbeiter konnten sich vor Beginn der "Übung" einen Avatar, eine Computerfigur für den virtuellen Raum, generieren und treffen sich nun mit Kollegen in einem abgeschlossenen Raum im Internet, um aktuelle Probleme durchzuspielen.
Kundenwünsche werden als Golfball zum Kollegen geputtet
Die IT-Welt ist voller Schlagworte, die auf einmal über die Nutzer hereinbrechen, dann einen unglaublichen Hype erzeugen und dann entweder schnell in Vergessenheit geraten oder - viel später als gedacht - doch ein Trend und nutzbringendes Element werden. Cloud Computing ist so ein Beispiel. Oder Big Data. Jahrelang wurde darüber geredet, nichts passierte und nun sind die Auswirkungen für alle sichtbar zu spüren und Alltag. Und auch das Thema "Gamification" ist so ein Hype und Trend, der sich nun doch in vielen Facetten im Alltag finden lässt.
Es geht nicht mehr darum, gemeinsam im Wald einen Baumkletterkurs zu machen oder sich in einem Seminarhotel zu verbarrikadieren, sondern in den Weiten des virtuellen Raumes hinter einem gewählten Avatar spielerisch Verbesserungspotenziale zu finden, gemeinsam Probleme zu lösen oder Teambuilding zu betreiben. Allerdings ist "Gamification" nicht mehr als der einzig wahre Zugang oder Ersatz für die vorher genannten Möglichkeiten zu sehen, sondern als eine Möglichkeit, die bei bestimmten Themen und mit speziellen Fragestellungen zum Einsatz kommt. Der Grundgedanke von Gamification ist, wie man die Erfolgsmechanismen eines Spiels auf andere Tätigkeiten im Job, in der Werbung oder in der Lehre übertragen kann.
Die Einsatzgebiete sind somit nahezu unerschöpflich: In Fitness-Apps werden Auszeichnungen für gelaufene Kilometer vergeben, die man mit der Community teilen kann. Im Schweizer Ort Gstaad setzt man auf Rätsel, um durch Gamification im Marketing neue Zielgruppen zu erschließen. Die Plattform Stackoverflow bietet IT-Entwicklern die Möglichkeit, Fragen einzustellen, andere Nutzer können diese beantworten und die Qualität der Antworten bewerten. Als Gamification-Elemente werden Auszeichnungen (sogenannte Badges) genutzt.
Der Software-Konzern SAP hat ein in Firmensoftware integriertes Golfspiel gemacht, bei dem Kundenwünsche als Golfball zum zuständigen Kollegen geputtet werden sollten, um so Kundenanfragen schneller an die richtige Adresse weitergeleitet zu bekommen.
Arbeiten macht durch Gamification nicht mehr Spaß
Stanford-Professor Byron Reeves meinte sogar, dass Job-Bewerbern in den Lebenslauf schreiben sollen, dass sie begeisterte WoW-Spieler ("World of Warcraft", ein bekanntes Rollenspiel) sind. Seine Begründung dafür lautete, dass viele Fähigkeiten, die in diesen Spielen zum Erfolg benötigt werden, ebenso im Job gebraucht würden. Die Arbeitswelt als buntes, immer lustiges Spielfeld zu sehen, ist allerdings falsch und macht aus dem Thema "Gamification" etwas, das es nicht ist.
Rajat Paharia, Gründer der Gamification-Agentur Bunchball, meint dazu: "Es geht bei dem Thema nicht um das Spielen und die Spielkonzepte an sich. Gamification und Spiele sind nicht die gleiche Sache - sie sind vielmehr als orthogonal zu betrachten. Bei Gamification ist nicht das Gameplay das Ziel, dadurch macht Arbeit nicht mehr Spaß, sondern es hilft, wie Menschen ihre Arbeit in einer positiven Weise wahrzunehmen und ambitioniert weiterverfolgen können."