Zum Hauptinhalt springen

Spielend integriert

Von Valentine Auer

Politik
Bei Doremi sind Flüchtlinge mit Österreichern gemeinsam in einem Kurs.
© Alexander Gotter

Anfang März nimmt das soziale Musikinstitut "Doremi" seinen Betrieb auf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Von klassischen Instrumenten wie Klavier, Gitarre oder Flöte über die orientalischen Saiteninstrumente Saz und Oud bis hin zum Gesang - sowohl orientalisch als auch Jazz und Pop. Das sind die Fächer, die künftig im neuen sozialen Musikinstitut "Doremi" unterrichtet werden. Der Verein "Open Piano for Refugees" will damit Musikunterricht für alle - unabhängig von Herkunft oder Einkommen - leistbar machen und gleichzeitig Geflüchtete, einkommensschwache und einkommensstarke Menschen zusammenbringen.

Von der öffentlichen Bühne zum privaten Musikunterricht

Zu Beginn war das Ziel, eine öffentliche Bühne für Pianisten zu schaffen und an öffentlichen Plätzen Menschen zum Musizieren und Kommunizieren anzuregen. Im Sommer 2016 stellte das Team rund um "Open Piano for Refugees" das erste Piano auf den "Platz der Menschenrechte". Alle, die wollten, konnten dort spielen. In den folgenden Monaten und Jahren wurden weitere Standorte in Österreich, Deutschland und der Schweiz zur öffentlichen Bühne. "Das Konzept hat sehr viel lachende Gesichter und gute Stimmung auf der Straße erzeugt. Die Menschen haben sich kennengelernt und kommuniziert", sagt Barbara Plank von "Open Piano for Refugees" erfreut. Barbara Plank ist seit Ende 2016 beim Projekt dabei und arbeitet neben ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am "Institut für Soziale Ökologie".

Positiver Nebeneffekt der offenen Bühnen ist der karitative Charakter. So wurden Spenden lukriert, die an Musikprojekte für Geflüchtete gehen sollten. Einziges Problem: Ebensolche Initiativen waren schwer zu finden. Daher begann der Verein im Winter 2016 mit einem eigenen weiteren Projekt. Mit zu Beginn 20 Schülerinnen und zwei Lehrerinnen startete die "Piano School for Refugees". Nun soll dieses Projekt mit dem Musikinstitut "Doremi" sowohl zahlenmäßig als auch mit unterschiedlichen Instrumenten ausgeweitet werden. Und der Bedarf ist da: Für das erste Semester, das Anfang März startet, haben sich mehr als 90 Personen angemeldet. Plätze gibt es derzeit nur für maximal 60 Personen.

Leistbarer Unterricht und Integration

Das Hauptanliegen von "Doremi" ist, Musikunterricht leistbar zu machen. Das soll mit dem Konzept "pay as much as you can" umgesetzt werden. "Die Leute sollen so viel zahlen wie sie können, nicht so viel wie sie wollen", betont Plank. Nebenbei soll der Musikunterricht zum nachhaltigen Integrations-Instrument werden, erklärt Plank weiter: "Wir wollen Menschen zusammenbringen, deswegen findet der Unterricht als Paarunterricht statt. Es werden zwei Schüler gemeinsam unterrichtet - jeweils eine geflüchtete oder finanziell benachteiligte Person mit einer österreichischen einkommensstärkeren Person". Zudem findet der Unterricht auf Deutsch statt, so sollen Sprachkenntnisse spielerisch erlernt und gefestigt werden.

Während sich viele Initiativen für Geflüchtete auf die Arbeitsmarktintegration fokussieren, setzt "Open Piano for Refugees" auf eine sinnvolle Freizeitgestaltung: "Wir sehen Musik als wunderbares Integrationsinstrument. Musik ist eine globale Sprache und hat ein verbindendes Element. Jeder kann sich über Musik verständigen. Und vor allem ist es eine sehr schöne und sinnvolle Freizeitbeschäftigung", so Plank zur Rolle der Musik im Projekt.

So wird das Thema Freizeit auch im "Nationalen Aktionsplan Österreich" als eines von sieben zentralen Handlungsfeldern benannt. "Durch ein sinnvolles Freizeitangebot soll die Situation von Flüchtlingen in Österreich verbessert und gleichzeitig das Knüpfen von sozialen Kontakten erleichtert werden. Gemeinsame Begegnungen führen zu gegenseitiger Toleranz und darüber hinaus können Respekt und das Akzeptieren von Regeln auch auf spielerische Weise erleb- und erlernbar gemacht werden", heißt es dazu im Integrationsbericht für das Jahr 2016. Tatsächliche Maßnahmen wurden bis dato jedoch hauptsächlich im Sportbereich sowie für Jugendliche umgesetzt.

Beschäftigungsmöglichkeit für Musiker

Trotz der Fokussierung auf den Freizeitbereich ist das Projekt "Doremi" nicht so weit entfernt von der Arbeitsplatzbeschaffung. Geflüchtete werden nicht nur als Schülerinnen in das Musikinstitut eingebunden, sondern auch als Lehrerinnen. Insgesamt dreizehn Lehrerinnen werden ab März die Schülerinnen unterrichten und damit eine bezahlte Beschäftigungsmöglichkeit erhalten. Sieben der Lehrerinnen weisen eine Fluchtbiographie auf. So zum Beispiel Orwa Saleh. Er flüchtete vor sechs Jahren mit seiner Familie aus Syrien. Dort studierte er am "Syrian Higher Institute of Music". In Österreich zählt er mittlerweile zu einem anerkannten Oud-Spieler.

Auch der Saz-Lehrer des sozialen Musikinstituts, Abid Abdel Rahman Mohamed, hat bereits in seiner Heimatstadt Damaskus als Musiker Karriere gemacht. Dort leitete er ein Musikinstitut mit mehr als 200 Schülerinnen. Die Lehrerinnen sind allesamt gute Musikerinnen, die jedoch nicht durchgehend hauptberuflich als Musikerinnen arbeiteten, erzählt Barbara Plank: "Wir haben auch Lehrer, die nicht hauptberuflich Musiker waren oder sind. Zum Beispiel Asia, unsere orientalische Gesangslehrerin. Sie hat nicht Gesang studiert, aber ein absolutes Gehör und studiert derzeit an der Universität für Angewandte Kunst".

Neben den Spenden aus den nach wie vor stattfindenden Bühnen auf öffentlichen Plätzen wird das Projekt durch Crowdfunding finanziert. Private Spenden sind die Haupteinnahmequelle, mit der "Doremi" finanziert wird. So gibt es auch die Möglichkeit, eine Musikpatenschaft zu übernehmen. Damit werden die Kosten des Musikunterrichts für eine Person und ein Semester abgedeckt. Zusagen für öffentliche Gelder gibt es bis dato keine. Diese sind jedoch notwendig, um künftig aufzustocken.

So hofft das Team von "Open Piano for Refugees", dass die Schülerinnenanzahl des Musikinstituts in den kommen Jahren verdoppelt werden und auch die Instrumente erweitert werden können: "Wir sehen, dass es den Bedarf gibt. Und hoffen natürlich, dass wir künftig Förderungen vom Bund erhalten. Denn damit wird auch unsere Zukunft bestimmt", sagt Barbara Plank abschließend.