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Bei der Klimakonferenz in Bonn ist das befürchtete US-Störfeuer bisher ausgeblieben. Doch auch die | erwartete Übernahme der globalen Führungsrolle durch China hat sich bisher nicht so vollzogen wie erhofft.
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Bonn. Die Absage aus dem State Department kam ziemlich kurzfristig. Nur wenige Stunden, bevor am Mittwoch die Staats- und Regierungschefs in Bonn eintrafen, teilte das US-Außenministerium mit, dass Thomas Shannon doch nicht zur Weltklimakonferenz in der ehemaligen deutschen Hauptstadt kommen wird. Als Grund für die geänderten Pläne des Staatssekretärs wurde offiziell ein familiärer Notfall genannt.
Anstelle des angesehenen Karrierediplomaten haben die Amerikaner Judith Garber geschickt. Die 56-Jährige ist als Referatsleiterin im Außenministerium unter anderem für internationale Umweltpolitik zuständig und verfügt dementsprechend auch über genug fachliche Expertise. Doch als Beamtin steht Garber in der politischen Rangordnung weit unter den Regierungschef und Fachminister, die für die anderen Länder in Bonn an den Gesprächen auf höchster Ebene teilnehmen.
Dass die US-Delegation, die 2015 bei den Verhandlungen über das historische Pariser Klimaabkommen noch eine führende Rolle eingenommen hat, nun nur von einer Referatsleiterin angeführt wird, ist aus Sicht vieler Konferenzteilnehmer eine eindeutige Botschaft: Nach dem von Präsident Donald Trump im Juni angekündigten Ausstieg aus dem Pariser Vertrag wollen die USA alles, was mit Klimaschutz zu tun hat, demonstrativ kleinhalten.
Garber dürfte aber nicht nur deswegen an Stelle von Shannon nach Bonn gereist sein. So ist der Außenstaatssekretär, der schon unter Trumps Vorgänger Barack Obama Teil der Regierung war, anders als sein aktueller Chef bisher nicht als überzeugter Klimaschutzgegner aufgefallen. Eher im Gegenteil. So bezeichnete Shannon die globale Erwärmung in einer Rede im Jahr 2015 als "eine der größten Herausforderungen der Menschheit".
Dass sich die USA in Bonn abgesehen von einigen Präsentationen zum Thema saubere Kohle weitgehend an die Seitenlinie gestellt haben, sehen viele Delegierte allerdings durchaus positiv. Denn im Vorfeld der Mammutveranstaltung mit 23.000 Teilnehmern war vielfach befürchtet worden, dass sich die USA zu einem maßgeblichen Störfaktor entwickeln könnten. Denn als noch immer gleichberechtigter Partner am Verhandlungstisch hätten die USA etwa auf sehr strikte Überprüfungsbestimmungen für die in Paris vorgelegten Klimaschutzpläne drängen können, um geopolitischen Rivalen wie China das Leben schwer zu machen.
Kritik an China
Die Übernahme der globalen Führungsrolle durch China hat sich trotz des ausgebliebenen US-Störfeuers in Bonn bisher aber dennoch nicht so vollzogen wie vielfach erhofft. Laut den jüngsten Daten des von drei europäischen Forschungsgruppen entwickelten "Carbon Action Tracker" wird die globale Temperatur dank der strengeren chinesischen Klimapolitik bis zum Jahr 2100 zwar nicht so stark ansteigen wie bisher angenommen. Bei der Klimakonferenz ist in den vergangenen Tagen dennoch immer wieder Kritik an der Volksrepublik laut geworden. Denn trotz enormer Investitionen in erneuerbare Energien fließt in China das meiste Geld noch immer in den Ausbau von Kohlekraftwerken. Und auch in relativer Hinsicht ist der mit Abstand weltgrößter Klimasünder schon auf bestem Weg, zu den Industrieländern aufzuschließen. So wird China die EU beim Pro-Kopf-Energieverbrauch schon im Jahr 2040 überholen.
Trotzdem beharrt die Volksrepublik bisher auf ihrem Status als Entwicklungsland und sieht nach wie vor primär die reichen Länder des Westens in der Pflicht. In Bonn beklagen sich daher laut einem Bericht der Nachrichtenplattform "Spiegel Online" viele Delegierte schon darüber, dass bei den Chinesen vieles in erster Linie geschicktes Marketing sei. China baue anderes als versprochen keine Brücken, heißt es vielfach. Druck gebe es einzig und allein in Richtung der Industrieländer, von denen verlangt werde, die finanziellen Hilfen für arme Länder aufzustocken.
Neue US-Helden
Kritik gibt es auch an den chinesischen Emissionsbilanzen. Sie sind schwer überprüfbar, und China wehrt sich gegen Transparenz. Immer wieder wurden die Angaben in der Vergangenheit auch maßgeblich korrigiert. Ende der Neunzigerjahre etwa hieß es, Kohlekraftwerke würden mittlerweile ein Fünftel weniger CO2 erzeugen, was sich später als falsch herausstellte. Manche Kohleminen hatten ihre Zahlen schlicht nicht veröffentlicht. Erschwert werden die Rechnungen zudem durch hunderte kleine Minen, die häufig illegal betrieben werden.
Neue Idole haben viele in Bonn aber dennoch gefunden. Sympathien fliegen vor allem der Kampagne "America’s Pledge" zu. Unter ihrem Dach versammeln sich Bundesstaaten und große Städte, die nach dem Ausstieg aus dem Pariser Abkommen ein Gegengewicht zur US-Politik unter Donald Trump bilden wollen. Auch große Unternehmen wie Apple, Amazon oder Facebook haben sich dieser Klimaschutzinitiative angeschlossen, die bisher auch mit markigen Statements gegenüber der offiziellen US-Delegation aufgefallen ist. Deren Veranstaltung für saubere Kohle sei wie Werbung für Tabak auf einem Krebskongress gewesen, sagt New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg, der ebenfalls bei "America‘s Pledge" dabei ist.