Suche nach Wiener ÖVP-Obmann als große Nagelprobe für ÖVP-Chef. | Aichinger im Klub gewählt - aber Exodus hält an.
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Wien. Kopfschütteln, ratlose Gesichter, verzweifeltes Lächeln - und immer wieder ein Satz: "Ich weiß nicht, wer sich das antun möchte." Hört man sich dieser Tage in der Wiener ÖVP über Nachfolge-Kandidaten für die zurückgetretene Ex-Parteichefin Christine Marek um, bekommt man keine schlüssigen Antworten. Vielmehr macht sich die Sorge breit, dass der unliebsame Posten wieder unbefriedigend besetzt wird und sich das derzeit herrschende Chaos in der Stadtpartei nur auf Jahre hin fortpflanzt.
Letztlich formulieren viele Parteifunktionäre den Wunsch nach einer Entscheidung durch den neuen Parteichef Michael Spindelegger: "Man wird das nicht den Wienern überlassen können. Spindelegger muss in dieser Frage Leadership zeigen - endlich", heißt es. Allerdings macht die Obmann-Suche, für die auch die interimistische Stadtparteichefin Gabriele Tamandl verantwortlich zeichnen will, ein Umstand schwierig: Die in Wien zu vergebenden Posten - Klubchef und Stadtrat - sind bereits weg; idealerweise sollte ein Obmann, der tiefgreifende Reformen durchzuführen hat, aber im Rathaus (und nicht etwa im Nationalrat) sitzen. "Ich sehe daher auf weiter Flur niemanden", erklärt ein Mandatar.
Was dazu führen könnte, dass der am Mittwoch zum neuen Klubchef gekürte Fritz Aichinger (65) später doch auch Partei-Obmann wird. Zumindest so lange, bis Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz bereit ist, das Ruder zu übernehmen - allenfalls zunächst als Spitzenkandidat für die Nationalrats- oder Gemeinderatswahl. Zumindest bei der Wahl Aichingers wurden die Wogen insofern geglättet, als er mit breiter Zustimmung vom Rathaus-Klub gewählt wurde.
Allerdings hält der Exodus im schwarzen Klub weiter an: Nachdem Bildungssprecher Wolfgang Aigner seinen Austritt angekündigt hat, um künftig als wilder Mandatar zu fungieren, geht auch Ex-Klubchef Matthias Tschirf. Er wechselt an die Spitze der Sektion Unternehmen ins Wirtschaftsministerium. Laut dem 54-Jährigen habe sein Abgang nur zufällig mit den Partei-Querelen zu tun - schließlich habe er sich schon im Juli beworben. Ihm dürfte mit Martin Flicker ein Donaustädter Bauernbündler, der Erdbeeren und Gemüse produziert, folgen; statt Marek würde mit Karin Holdhaus die Ex-Sprecherin von Ernst Strasser auf der Landesliste nachfolgen. Sollte sie verzichten, käme der Ex-Journalist Franz Ferdinand Wolf unverhofft zu einem Comeback in der Politik.
Die Zustände der Wiener ÖVP dürften auch bei der für Donnerstag und Freitag angesetzten Klubklausur der Bundes-ÖVP in Saalfelden ein Thema sein - zumindest am Rande. Offizielles Motto ist nämlich "Leistung - Unsere Verantwortung". Prominenter Gastredner ist Jan Fleischhauer, Redakteur des "Spiegel", zum Thema "Die Linke hat nicht recht".
FPÖ will ÖVP-Wähler
Gefahr für die ÖVP kommt aber auch von rechts - so will es jedenfalls die FPÖ, die nun verstärkt im bürgerlichen Wählerteich fischen will. Mit einer "freiheitlich-konservativen Initiative" sollen enttäuschte ÖVP-Sympathisanten gewonnen werden. Der ÖVP attestierte FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache nicht nur in Wien, sondern auch auf Bundesebene eine schwere Krise. Mit den Themen Familie und Sicherheit will die FPÖ deshalb bei deren Kernwählerschicht punkten.