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Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) sieht in der Zustimmung der Iren zum EU-Reformvertrag von Lissabon einen "großen Schritt". Wer den Prozess jetzt noch blockiere, habe "Erklärungsbedarf", meinte der Außenminister am Sonntag in der Pressestunde in Anspielung an die Situation in Tschechien. | Auch weitere Schritte zur Integration Europas will der Minister ohne Volksabstimmung in Österreich setzen.
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In tschechien, so Spindelegger, habe das Parlament dem Vertrag bereits zugestimmt. Jetzt müsse noch das Verfahren vor dem Verfassungsgericht abgeschlossen werden. Auch die Unterschrift des EU-kritischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus steht noch aus.
Britisches Verzögerung "nicht fair"
In Bezug auf die Haltung der britischen Konservativen, deren Chef David Cameron den Briten im Fall eines Wahlsiegs ein Referendum versprochen hat, wenn der Vertrag zu diesem Zeitpunkt nicht von allen EU-Ländern ratifiziert sein sollte, sagte Spindelegger, jetzt noch zu verzögern, sei "nicht fair". Das Parlament in Großbritannien habe dem Vertrag von Lissabon bereits zugestimmt. Das müsse man zur Kenntnis nehmen.
Sollte es tatsächlich zu einer Verzögerung und einer Ablehnung des EU-Reformvertrages durch die Briten kommen, gebe es "keine Hoffnung mehr" für den Vertrag von Lissabon. In diesem Fall würde das bestehende Regelwerk - der Vertrag von Nizza - weiter gelten. Das wäre zwar "keine Katastrophe", aber "suboptimal", meinte Spindelegger.
Zu Fragen über Österreichs künftigen EU-Kommissar gab sich der Außenminister zugeknöpft: "Wenn sie einen Namen haben wollen, muss ich sie enttäuschen.". Man befinde sich gerade "in einer sehr sensiblen Phase", Gespräche würden derzeit mit Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sowie mit den Außenministerkollegen in der EU laufen. Spindelegger: "Mir ist wichtig, dass Österreich ein wirklich wichtiges Gestaltungsressort bekommt."
Keine Volksabstimmungen
Spindelegger stellt sich weiterhin gegen den Vorschlag des Verfassungsgerichtshofs-Präsidenten Gerhart Holzinger, künftige wichtige Integrationsschritte der EU einer Volksabstimmung zu unterwerfen.
Von regelmäßigen Referenden bei wichtigen Veränderungen der EU hält Spindelegger nichts. Er betonte: "Wir haben eine repräsentative Demokratie." Wenn man dies infrage stelle, hieße das, nach dem Muster Schweiz, alle Wochen zu den Urnen zu rufen. Zudem seien gewisse Regelwerke der EU in allen Details der Bevölkerung "schwer zu vermitteln".
Druck auf den Iran
In der Frage des Atomstreits mit dem Iran äußerte der Außenminister die Ansicht, dass der Druck auf Teheran aufrecht bleiben müsse. "Da dürfen wir nicht lockerlassen." Es gebe "erste positive Anzeichen", doch es sei klar, dass die Geduld "bald ein Ende" habe. Der Iran werde auch Thema bei seinem Besuch in Moskau am Montag sein, sagte Spindelegger.
Kritik an Haltung zu Referenden
Spindelegger habe einmal mehr gezeigt, "dass diese Bundesregierung ganz und gar nichts von der direkten Demokratie und der Einbindung der Bevölkerung in Entscheidungen halte", meinte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Gerade der Vertrag von Lissabon, den Spindelegger mit Zähnen und Klauen verteidigt habe, wäre einer verpflichtenden Volksabstimmung zu unterziehen gewesen, da es sich um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung handle.
Für die Europa-Sprecherin der Grünen, Ulrike Lunacek, verwickelt sich Spindelegger in Widersprüche, wenn er für den Türkeibeitritt eine nationale Volksabstimmung fordert, aber gleichzeitig generell gegen Volksabstimmungen eintritt "und sich damit auch gegen europaweite Volksabstimmungen ausspricht". Der Außenminister halte die europäischen Bürger offenbar nicht für mündig genug, wichtige Entscheidungen zu treffen, so Lunacek.
(APA)