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Wien. Eine grundlegende Revision der österreichischen Sicherheitsdoktrin kommt für den neuen Außenminister Michael Spindelegger (V) nicht infrage. Das sagte er am Donnerstag gegenüber Journalisten auf dem Flug von Wien nach Helsinki, wo er am jährlichen Ministerrat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teilnimmt.
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Die vom Nationalrat 2001 beschlossene Sicherheitsdoktrin beinhalte eine "gewisse Beobachtung" der Entwicklungen, und "einige Rahmenbedingungen" hätten sich seither geändert. Dies rechtfertigt aber aus Spindeleggers Sicht einen derartigen Schritt nicht.
Für die Sicherheitsdoktrin ist für den Außenminister u.a. die Frage entscheidend, ob die Bundesheerreform 2010 so haltbar ist. Dies solle evaluiert werden. Verteidigungsminister Norbert Darabos (S) werde der Bundesregierung dazu im kommenden Jahr einen Bericht vorlegen, sagte er.
Spindelegger strich hervor, dass Österreich nicht mehr in dem Sinne neutral sei, wie im Staatsvertrag von 1955 festgelegt, sondern im Sinne einer Solidarität innerhalb der Europäischen Union, bei gleichzeitiger Neutralität nach außen.
Im Vorjahr hatte der Leiter der ÖVP-Perspektivengruppe "Europa", der steirische Klubchef Christopher Drexler, mit der Forderung nach Abschaffung der Neutralität kurzfristig für Aufregung gesorgt. Neben dem damaligen Parteiobmann Wilhelm Molterer bekräftigte die damalige Außenministerin Ursula Plassnik (V) demgegenüber den Staus quo. Darabos plädierte damals dafür, die NATO-Option aus der geltenden Sicherheitsdoktrin zu streichen. Spindelegger will jedenfalls nicht über einen NATO-Beitritt nachdenken, wie er am Donnerstag sagte.
Die Sicherheitsdoktrin wurde vor fast genau sieben Jahren vom Nationalrat angenommen. Sie ersetzte den teils auf 1975 zurückgehenden Landesverteidigungsplan, der nach der Neuordnung Europas nach der Wende in den Ostblock-Staaten ab 1989 und dem EU-Beitritt Österreichs 1995 obsolet geworden war. In der Doktrin trat das Prinzip der internationalen Solidarität an die Stelle einer autonomen Sicherheitspolitik; die Sicherheit Österreichs wird als untrennbar mit jener der EU betrachtet; die heutigen sicherheitspolitischen Herausforderungen seien nicht im Alleingang zu bewältigen.
Durch die vorbehaltlose Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) habe sich der völkerrechtliche Status der immerwährenden Neutralität verändert, so die Sicherheitsdoktrin weiter: Österreich ist demzufolge im internationalen Vergleich nicht mehr neutral, sondern vielmehr "allianzfrei". Eine mögliche NATO-Mitgliedschaft Österreichs sei im Lichte der sicherheitspolitischen Entwicklungen laufend zu beurteilen.
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