Mit Außenminister Juppé einig über AKW-Stresstests. | Paris. Der Termin stand zwar schon lange fest, dennoch hätte der Zeitpunkt für den gestrigen Besuch von Außenminister Michael Spindelegger in Paris günstiger kaum sein können. Denn bei den Gesprächen mit seinem französischen Amtskollegen Alain Juppé und Europaminister Laurent Wauquiez nahm die Debatte über die Zukunft der Kernenergie großen Raum ein. So tragisch die Vorfälle in Japan auch sind - nie zuvor war eine französische Regierung so sensibilisiert für das Thema. "Ich nutze jeden Kontakt, um anderen unsere Überzeugungen zu vermitteln", sagte Spindelegger.
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In Frankreich, das mehr als jeder andere EU-Staat auf Atomenergie setzt, entspinnt sich infolge der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima erstmals eine breitere Debatte über deren Gefahren. Einen Ausstieg lehnt die französische Regierung zwar ab: Das Land bezieht fast 80 Prozent seines Energiebedarfs aus seinen Kernkraftwerken, hat nach den USA den zweitgrößten Nuklearpark der Welt und will im Bereich der Nukleartechnik sogar Weltmarktführer werden.
"Dass wir völlig unterschiedliche Grundauffassungen haben, ist bekannt. Das hat sich auch nicht geändert", räumte Spindelegger im Anschluss an das Treffen in Paris ein. Dennoch sei er auf großes Interesse und die Bereitschaft gestoßen, über Alternativen zu diskutieren. Auch über die Notwendigkeit von europaweiten Stresstests zur Überprüfung der Sicherheit der Reaktoren war man sich einig. Juppé und Wauquiez nahmen Spindeleggers Einladung an, Projekte für erneuerbare Energie in Österreich zu besichtigen.
Auch Libyen war Thema
Weiteres Großthema war Libyen und der dortige Militäreinsatz, dessen Kommando die Nato nun vollständig übernommen hat, nachdem Frankreich zunächst treibende Kraft war und die Resolution für militärisches Eingreifen im Weltsicherheitsrat durchgesetzt hatte. Auch wenn ein Ende des Konflikts gegen den libyschen Diktator Muammar Gaddafi noch nicht in Sicht ist, so bestätigte Spindelegger die Notwendigkeit des Militärschlags: "Nicht zu handeln, war keine Option." Wäre Österreich noch im Sicherheitsrat gewesen, hätte es Frankreichs Initiative unterstützt - nicht nur aus Solidarität, sondern auch als Warnung auf andere Machthaber in der Region. Einen Flächenbrand in der Region gelte es unbedingt zu vermeiden. Vom Einsatz von Bodentruppen oder einer Bewaffnung der libyschen Rebellen, während gleichzeitig ein Waffenembargo über das Land verhängt wurde, war nicht die Rede.
Paris für Plassnik
Anders als Frankreich hat Österreich den libyschen Verfassungsrat, der aus der oppositionellen Bewegung entstanden ist, noch nicht anerkannt. "Wir brauchen mehr Informationen darüber, wer die Vertreter des neuen Libyens sind", erklärte Spindelegger diese Position.
Insgesamt bemühte er sich aber, die gemeinsamen Punkte mit dem französischen Partnerland hervorzuheben. Besonders erfreulich: Frankreich unterstützt die Kandidatur Ursula Plassniks als Generalsekretärin der OECD.