Ziel der ÖVP: 420.000 neue Arbeitsplätze bis 2018 - und ein ÖVP-Bundeskanzler.
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Wien. Der Einmarsch war laut und pompös, unter Trommeln und Fanfaren zogen die ÖVP-Granden in die Wiener Hofburg ein, um an diesem Mittwochvormittag der "Österreich-Rede" von Parteichef Michael Spindelegger zu folgen. Vor 1100 Gästen fand der Vizekanzler dann auch deutliche Worte im Hinblick auf die Nationalratswahl im Herbst und machte eine klare Ansage: Die ÖVP soll Nummer eins und er Bundeskanzler werden.
Den Einpeitscher gab diesmal Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz, der mit einer launigen Rede für seinen Mentor Spindelegger eröffnete. Dabei warb Kurz für mehr direkte Demokratie, um Interessierten den Weg in die Demokratie zu erleichtern. Auch Seitenhiebe gegen SPÖ und FPÖ konnte sich Kurz nicht verkneifen: "Wir brauchen ein neues Miteinander, keinen alten Klassenkampf" und auch "keine Hetzer".
"Die ÖVP wird Nummer eins - das spüre ich"
Michael Spindelegger begann dann mit dem schwarzen Mantra, wonach "2013 das Jahr der ÖVP" sei. Er zeigte sich angesichts der jüngsten - zumindest relativen - Erfolge bei den Landtagswahlen zuversichtlich, dass die ÖVP im September "wieder die Nummer eins" wird - "das ist nicht nur unser Ziel, das spüre ich". Schließlich sei es der Wirtschaftskompetenz der Volkspartei zu verdanken, dass Österreich trotz Krise vergleichsweise gut dastehe.
Dann gab Spindelegger die Linie vor, entlang derer die ÖVP der Wahl entgegengeht: Wirtschaft und Familie - wobei es Letzterer nur gut gehen könne, wenn Erste funktioniert. Der Wirtschaftskurs der Volkspartei basiert dabei vor allem auf Entbürokratisierung - im ÖVP-Sprech "Entfesselung".
Angesichts der noch immer schwierigen konjunkturellen Situation und hoher Arbeitskosten in Österreich kritisierte Spindelegger die Forderung der Gewerkschaften nach sechs Wochen Mindesturlaub: "Das wäre Harakiri mit Anlauf für unsere Betriebe."
Aufhorchen ließ Spindelegger mit der Ankündigung, "in den nächsten fünf Jahren 420.000 neue Arbeitsplätze" schaffen zu wollen.
Diese Zahl basiert auf einer noch nicht veröffentlichten Studie des Eco-Instituts. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Österreich über dem EU-Schnitt wächst. "Das ist keine Fiktion, das ist machbar", so Spindelegger. Dazu sollen Klein- und Mittelbetriebe ebenso gestärkt werden (etwa durch eine Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft) wie die Industrie. Aber auch hier gelte: "Alles, was die Wirtschaft braucht, ist ein Rahmen. Nicht mehr. Kein Netz von Verboten und Hürden, das von der roten Arbeiterkammer immer dichter geknüpft wird. Freiheit, nicht Knebelung."
Zur Förderung der Familien plädierte Spindelegger für flexiblere Arbeitszeiten und Teilzeit - "auch wenn das der Frau Heinisch-Hosek nicht passt" - und steuerliche Erleichterungen für Eltern. Um mehr leistbare Wohnungen auf den Markt zu bekommen, wiederholte Spindelegger auch die ÖVP-Forderung nach einem Gehaltscheck nach zehn Jahren im Gemeindebau.
Klare Absage an SPÖ-Steuerpläne
Ebenfalls bekannt waren das Nein zu Gesamtschule oder die Forderung nach mehr Privatisierungen - die Erlöse sollen in die Verdoppelung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung fließen. Beim Thema Pflege räumte Spindelegger ein, "dass wir mit einer nachhaltigen Lösung säumig sind". Lob gab es allerdings für Sozialminister Rudolf Hundstorfer und dessen Nein zu Forderungen der Gewerkschaft nach einem Verbot privater Pflegerinnen aus der Slowakei.
Es sollte das einzige Lob für einen SPÖler bleiben. Dem Ruf des Koalitionspartners nach Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuer - "Faymann-Steuern" - erteilte Spindelegger eine deutliche Absage. "Die Steuererhöhungsdebatte kann die SPÖ mit den Grünen führen. Mit uns kann man nur über Entlastung sprechen." Letztlich wolle er kämpfen, dass die Wirtschaft weiter wächst und der Wohlstand bei den Menschen ankommt. "Dafür will ich Kanzler werden."
"Klare Position, klare Ansage, klare Abgrenzung"
Es war eine sehr sachliche Rede, die Spindelegger vor den 1100 Anhängern hielt, entsprechend seinem ruhigen und wenig impulsiven Naturell. Doch sie war perfekt auf die ÖVP-Kernwählerschaft zugeschnitten. "Er hat genau das gezeigt, was manche bei ihm vermisst haben: klare Positionen, klare Ansagen an den politischen Gegner und eine klare Abgrenzung", erklärte etwa Ex-Staatssekretär Helmut Kukacka.
Tatsächlich hat der ÖVP-Chef die Leitlinien für den anlaufenden Wahlkampf deutlich vorgegeben. Allerdings macht der Fokus auf die eigene Klientel auch deutlich: "Es ist ein 30-Prozent-Wahlkampf, keiner um 50 Prozent", wie ein Beobachter meinte. Die ÖVP hofft also nicht auf Zugewinne von den anderen Parteien, sondern konzentriert sich darauf, die eigene Basis zu mobilisieren.
Reaktionen
Während Michael Spindelegger in den eigenen Reihen für seine "Österreich-Rede" durchwegs gelobt wurde, kam von den übrigen Parteien Häme und Kritik.
"Ein Wahlkampfauftritt mit Ideen aus dem neoliberalen Fundus und Feindbildern aus der ÖVP-Mottenkiste", befand SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. Mit Spindelegger werde die ÖVP zur "Lobby für Millionäre und Konzerne". Gleichzeitig würden Arbeiterkammer und Gewerkschaft attackiert und Privatisierungen das Wort geredet. "Eine Wahlkampfrede diktiert von der Industriellenvereinigung", so Darabos. Aber "eine Privatisierung der Grundversorgung wie Wasser, um ÖVP-Wahlzuckerl für Besserverdiener zu finanzieren, wird es mit der SPÖ keinesfalls geben", so Darabos
Die Rede sei eine "Märchenstunde" gewesen und nichts anderes als eine eindrucksvolle Aufzählung all jener Themen, an denen die ÖVP kläglich gescheitert sei, erklärte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Die ÖVP habe weder die Wirtschaft gestärkt noch die Bürokratie abgebaut. Und schon gar nicht die Staatsschulden verringert.
Kein gutes Haar ließ auch BZÖ-Obmann Josef Bucher an Spindeleggers Rede: "Das ist eine reine ÖVP-Ablenkungsveranstaltung mit Pomp und Trara - nicht mehr und nicht weniger. Eine Rede zur Stagnation." Die ÖVP sei "für Rekordverschuldung, Bürokratieaufblähung und Rekordarbeitslosigkeit verantwortlich".
Grünen-Vize Werner Kogler sah "viel Reformgeschrei und wenig Reformbereitschaft", denn gerade die ÖVP bleibe eine "Bremsertruppe", etwa in der Bildungspolitik.
"Fast fünf Jahre hatte die ÖVP Zeit, eine Politik für die Menschen und die Wirtschaft zu machen. Geschehen ist nichts", kritisierte Robert Lugar vom Team Stronach. Spindeleggers Wahlkampftöne bei seiner heutigen Rede sei daher eine "Verhöhnung der Österreicher".
ÖGB-Präsident Erich Foglar verteidigte die von Spindelegger abgelehnte Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche. "Man soll doch bitte nicht so tun, als wäre das neu", so Foglar, schließlich gebe es die sechste Urlaubswoche seit 30 Jahren - aber nur für Personen, die 25 Jahre im selben Betrieb arbeiten. Da dies auf immer weniger zutreffe, sollen alle nach 25 Arbeitsjahren eine zusätzliche Urlaubswoche bekommen, so Foglar.
Erfreut zeigt sich Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) im ÖGB, über die Ankündigung des Vizekanzlers, 420.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen: "Dieses Ziel können wir gerne gemeinsam verfolgen. Unsere Unterstützung wird darin bestehen, gemeinsam mit der SPÖ ganz genau darauf zu achten, dass es sich dabei um qualitätsvolle Arbeitsplätze handelt."
Als "wichtiges Signal" für die Wettbewerbsfähigkeit und die Stärkung des Industrie- und Arbeitsstandortes Österreich bezeichnete der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, die "Österreich-Rede" Spindeleggers. "Die Industrie ist die tragende Säule für den Erfolg eines Landes - sie bietet Arbeitsplätze, bildet Fachkräfte aus und sorgt für Wohlstand", so Kapsch, der bürokratische Entlastungen für die Unternehmen forderte.