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Spionage ist kein Kavaliersdelikt

Von Friedrich Korkisch

Gastkommentare

Österreichs politische "Elite" und ein Kleinformat legen ein sonderbares Verhältnis zu den Interessen der Republik an den Tag: Landesverrat ist nun ein Kavaliersdelikt. Man erinnere sich an jüngste Spionagefälle oder Wirtschaftsspionage zum Nachteil unseres Landes. Wenn der Täter prominent ist und Wirtschaftsbeziehungen gestört werden könnten, meint man, das sei Teil des politischen Geschäftes dieses Landes. Man erinnere sich an einen ehemaligen Leiter der Staatspolizei oder einem Minister mit sonderbaren Kontakten, solche Personen blieben unangetastet. Würde Helmut Zilk noch leben, hätte man das Thema von oben her unterdrückt, so wie man es nun bagatellisiert.


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Spionage ist staatsschädigendes Verhalten. Dagmar Koller irrt, wenn sie im ORF die vorliegenden Fakten als "schmutzigen Journalismus" abtut. Agenten saßen in Österreich früher (heute?) überall: Als meine Diplomarbeit an die Uni-Bibliothek am Ring abgeliefert wurde, war sie 48 Stunden später kopiert in Budapest und ich wurde in der KP-Parteizeitung, unter voller Namensnennung, als Kriegshetzer bezeichnet, das berichtete unser Botschafter damals nach Wien.

Drehen wir die Causa einmal um: Wäre Helmut Zilk Bürger der CSSR gewesen und hätte er in Wien diese Informationen an einen österreichischen Dienst weitergegeben und wäre enttarnt worden, hätte man ihm damals einen Schauprozess gemacht und ihn hingerichtet, man hätte die Republik Österreich angegriffen ("Neutralitätsbruch" etc.) und in diesen Angriff hätten alle Ostblockzeitungen eingestimmt. Noch bedenklicher ist aber, dass die StaPo und damit auch einige Minister über Zilks Spionage ab 1968 wussten und nichts taten.

Zilks Akt in Prag ist umfassend und er hatte damals - mindestens - 55.000 öS in bar, dazu kostenlose Reisen, Hotelaufenthalte, Möbel, Luster und auch "delikate" Zuwendungen bekommen. Seine Tätigkeit begann lange vor dem Prager Frühling. Er musste wissen, und hat auch gewusst, was er tat, und (a) seine eigene Partei (b) Freunde und (c) den Dienstgeber gegen Bezahlung bespitzelt, deren politische Einstellung weitergegeben.

Zilks Familie stand der KPÖ nahe, daran erinnern sich Weggefährten aus dieser Zeit. Auch der Club 45 (mit StaSi-Nähe einiger Proponenten) gehört in Österreich zu den absoluten Tabuthemen; denn da hängen ganze Seilschaften der "alten" SPÖ und um Udo Proksch drinnen. Das stand zwar schon alles vor 20 Jahren in den Medien, ist aber dennoch peinlich.

Bleibt Wolfgang Schüssels sonderbare Idee, Zilk 2002 mit der Leitung der Bundesheerreform ("2010") zu betrauen, obwohl die Spionagevorwürfe bekannt waren. Auch das sollte aufgeklärt werden.

Friedrich Korkisch ist Leiter des Instituts für Außen- und Sicherheitspolitik in Wien.