)
Exil-Uigure soll in Schweden Landsleute ausspioniert haben. | Stockholm. Die Ursachen für die jüngste Eskalation in Chinas Xianjiang-Provinz hat viele an die Frustrationen erinnert, die in den späten 1960er Jahren in den USA zu Rassenunruhen geführt haben. Die Diskriminierung der dort wohnenden Uiguren in ihrer angestammten Heimat ist gut belegt, und Menschenrechtsgruppen haben die chinesische Regierung beschuldigt, die turksprachige Minderheit zu verfolgen. Offenbar macht aber diese Verfolgung nicht an Chinas Grenzen Halt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Im Juni verhaftete die Schwedische Sicherheitspolizei (Säpo) den 61-jährigen Babur Meshut, einen exilierten und mittlerweile in Schweden eingebürgerten Uiguren, mit der Begründung, er habe unter Flüchtlingen spioniert - rund 100 chinesische Uiguren leben derzeit in Schweden. Laut Tomas Lindstrand, für Internationales zuständiger Oberstaatsanwalt, umfassen die Haftgründe die "illegale Beschaffung und Weiterleitung von Informationen über Einzelpersonen zugunsten einer fremden Macht" - in diesem Fall China. Die vorgeworfenen Delikte haben sich in- und außerhalb Schwedens ereignet; bekannt ist etwa, dass Mehsut heuer im Mai an einem Treffen des Weltkongresses der Uiguren in Washington teilgenommen hat.
Beobachter glauben, dass mittlerweile ein chinesisches Geheimdienstnetzwerk existiert, das Entwicklungen in der weltweiten uigurischen Diaspora genau beobachtet und vermutlich Zwiespalt in und zwischen den Gruppen im Exil säen soll. Auch darüber, dass Uiguren mit Zwang in dieses Netzwerk gepresst werden, herrscht weitgehend Übereinstimmung.
Zwist China-Schweden
Kurz nach Meshuts Verhaftung hat Schweden einen chinesischen Diplomaten ausgewiesen, worauf China prompt einen schwedischen Diplomaten auswies. Offiziell wollen weder Chinesen noch Schweden dazu Stellung nehmen. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern gehen schon auf November 2007 zurück. Zu dieser Zeit kam Adil Hakijman, einer der Uiguren, die unschuldig in US-Gefangenenlager Guantanamo eingesperrt waren, nach Schweden und suchte um politisches Asyl an.
Zwei Monate später begann angeblich Mehsut mit seiner Spionagetätigkeit für China. Der Experte für Zentralasien von der Universität Indiana, Gardner Bovingdon, meint gegenüber der "Wiener Zeitung", dass "dieser Zeitpunkt kein Zufall sein kann." Bovingdon sieht die Gunantanmo-Uiguren als "Hauptfiguren in dem Spiel", das die Menschen "überzeugen soll, dass es uigurische Terroristen gibt, und dass daher die uigurischen Dissidenten mit Terroristen gleichzusetzen sind."
Kürzlich aufgetauchte Dokumente belegen, dass nach Hakimjans Ankunft in Schweden Chinas Botschaft in Stockholm großen Druck auf die örtlichen Behörden ausgeübt hat. Wie die "Wiener Zeitung" berichtet hat, bezeichnete dabei China Hakimjan als "Terroristen", obwohl sowohl Schweden als auch die USA in ihm einen unschuldigen Flüchtling sahen. Dilshat Rashit, Sprecher des uigurischen Weltkongresses in Schweden, gibt der "Wiener Zeitung" gegenüber an, dass Meshut bei mehreren Gelegenheiten die Nähe Hakimjans suchte.
Alle Uiguren, die Babur Meshut kennen, zeigten sich schockiert, dass er wegen Spionage verhaftet worden ist. Hakimjan, der im April politisches Asyl bekam, meinte auf Anfrage lediglich, dass er hofft, "dass die chinesische Regierung genug Mitgefühl zeigt, um meine Frau und Kinder aus China abreisen und mir nach Schweden folgen zu lassen."
Bovingdon vermerkt, dass die Uiguren in der Diaspora mit Drohungen gegen ihre Familien rechnen können, wobei die chinesischen Behörden versuchen, "unerwünschtes Verhalten abzustellen oder erwünschtes Verhalten zu erzeugen." Dafür gebe es zahlreiche Belege. Dolkun Isa, Generalsekretär des Weltkongresses, bestätigt im Wesentlichen diese Annahmen. Er bejaht die Frage, ob Spionage ein Problem im uigirischen Exil darstelle, und verweist auf den Druck auf Eltern und Verwandte, die in China geblieben sind.
Die Befragung von Meshut geht unterdessen weiter. Frühestens im September könnte ein Prozess beginnen, sagt die Polizei.