Graz: Schließung der Chirurgie entzweit SPÖ und ÖVP. | Wahlkampf in Permanenz lähmt steirische Politik. | Wien/Graz. Österreich hat das weltbeste Gesundheitssystem. Dieser Satz gehört zum Standardrepertoire jedes österreichischen Politfunktionärs mit Generalkompetenz vom Bundeskanzler abwärts - mit der mehr oder weniger impliziten Botschaft, dass das auch in Zukunft so bleiben möge.
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In der Realität lässt sich das jedoch nur mit teils schmerzhaften Umstrukturierungen erreichen - und zu diesen scheint die Politik strukturell unfähig. Dieser Eindruck drängt sich zumindest angesichts des Zustands der steirischen Landesregierung auf.
Konkret geht es um die geplante Schließung der Chirurgie in Bad Aussee. Die geringe Zahl der Operationen lassen ein eigenes Operationsteam samt Primariat und Bettenstation schlicht nicht gerechtfertigt erscheinen. Nicht zuletzt auch aus Qualitätsgründen: Das Risiko für Routine-Patienten steigt, wenn die Zahl der Operationen unter eine gewisse Grenze fällt. Zumindest 1000 Eingriffe sollte eine Chirurgie pro Jahr abwickeln, in Bad Aussee sind es jedoch nur 650. Künftig soll deshalb, so wollen es der steirische Spitalslandesrat Helmut Hirt (SPÖ) und die Krankenanstalten Gesellschaft KAGes, die Chirurgie im Krankenhaus Rottenmann konzentriert werden.
Ein Neubau samt zusätzlichem Angebot
Im Gegenzug würde bis 2011 das LKH Bad Aussee um 12 Millionen Euro neu gebaut sowie ein zusätzliches Angebot in den Bereichen Augenheilkunde, Dermatologie und Palliativmedizin angeboten werden; und natürlich würde auch eine chirurgische Basisversorgung weiter aufrecht bleiben, versichert Hirt.
Was vorderhand nach einem vertretbaren Kompromiss für alle Beteiligten klingt - von Bad Aussee nach Rottenmann sind es rund 35 Kilometer -, trifft jedoch auf den erbitterten Widerstand der steirischen ÖVP. Die unterstützt mit aller Kraft die Proteste und Initiativen gegen die Schließung der Chirurgie in Bad Aussee; Mitte Jänner demonstrierten bereits einmal 600 erzürnte Ausseer vor der Grazer Burg.
Dabei beruft sich ÖVP-Obmann und Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer auf einen rot-schwarzen Regierungsantrag aus dem Jahr 2005, der eine Bestandsgarantie für die Chirurgie beinhaltet. Die SPÖ mit Landeshauptmann Franz Voves an der Spitze weiß dagegen den Rechnungshof hinter sich, der zuletzt im Dezember die steirische Spitalslandschaft heftig kritisierte und auf eine Strukturbereinigung drängte. Neben Bad Aussee-Rottenmann weisen auch die Spitalsverbünde Judenburg-Knittelfeld sowie Mürzzuschlag-Bruck an der Mur nicht die notwendige Mindestauslastung im Bereich der Chirurgie auf.
SPÖ fehlt Mut zu Alleingang
Nachdem also die steirische ÖVP einem neuen Regierungsbeschluss in Sachen Bad Aussee die Zustimmung verweigert, hat Spitalslandesrat Hirt die unpopuläre Materie an den Landtag weitergereicht. Angeblich zur "Versachlichung" der aufgeheizten Debatte, ein Alleingang schien der SPÖ offensichtlich zu riskant.
Mit der Schließung von Spitalsabteilungen gegen den erbitterten Widerstand der betroffenen Bürger - und des Koalitionspartners - lassen sich kaum Wahlen gewinnen. Und die stehen bereits im kommenden Jahr in der Steiermark auf dem Kalender.