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Spitzfindige steuerliche Behandlung von Bestechungsgeldern

Von Alfred Abel

Wirtschaft

In der EU ist Korruption ein Fremdwort, wie jeder weiß. Geschenkannahmen, Bestechungen, Freunderlwirtschaft sind unter Brüssels Oberherrschaft undenkbar. Diese hehren Grundsätze haben ihren | Eindruck auf Österreichs Gesetzgeber nicht verfehlt und jetzt zu einer stärkeren Verankerung im heimischen Straf- und Steuerrecht geführt. Schmiergelder sollen nicht auch noch steuerlich absetzbar | sein. Deshalb hat man den bezüglichen Steuerparagraphen im EU-Sinn zurechtgetrimmt. Der nunmehrige gesetzliche Torso wirft freilich mehr Fragen auf, als Klarheit zu schaffen.


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Bis zum 12. Jänner dieses Jahres ging's lockerer zu. Geld- und Sachgeschenke, deren Gewährung oder Annahme mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, waren zwar grundsätzlich beim Geber

steuerlich nicht absetzbar. Wenn solche Zuwendungen aber mit Exportgeschäften zusammenhingen, waren sie es doch.

Die Gesetzemacher akzeptieren auf diese Weise die Er fahrungen heimischer Exporteure, vor allem im Handel mit Ostblockländern. Ohne der richtigen Hand in die andere richtige Hand war Sand im

Getriebe, mit verständnisvollen Zueignungen lief alles bestens. Und weil derlei Geld- und Sachströme ausschließlich betrieblich oder beruflich verursacht waren, wurden sie auch als Steuerabsetzposten

geduldet.

Beamte im Binnenmarkt

Nicht nur im Osthandel. Und nicht nur unter kommerziellen Geschäftspartnern, mitunter auch gegenüber verständnisvollen Beamten, die dafür bürokratische Barrieren wohlwollend aus dem Weg räumten.

Hier kommt Brüssel ins Spiel. Denn Beamte im Binnenmarkt sind offenbar von anderem charakterlichen Zuschnitt als solche jenseits der Schengener Grenzen; jedenfalls auch schutzwürdiger gegenüber

gewissen Ansinnen gewisser Unternehmer.

Der Passus im österreichischen Steuergesetz, wonach Bestechungsgelder bei Exportgeschäften steuerlich absetzbar wären, konnte so allgemeingültig nicht mehr bestehen bleiben. Er hätte die Gefühle

eines Beamten aus einem EU-Mitgliedsstaat oder eines "Gemeinschaftsbeamten" der EU verletzen, gar in Mißkredit bringen können. Die strengen Brüsseler Spitzen urgierten also eine Klarstellung im öster

reichischen Strafrechtsänderungsgesetz und in deren Folge auch eine solche im Einkommensteuerrecht.

Tabu im Binnenmarkt

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 1998 - wirksam ab 13. Jänner 1999 - wurde deshalb die bisher zulässige Steuerabsetzbarkeit von "Schmiermitteln" im Zusammen- hang mit Exportgeschäften aus dem Gesetz

herausge- strichen. Womit Bestechungsgelder an ausländische Beamte im Binnenmarkt steuerlich tabu sind, denn diesfalls stehen derlei Gaben - auch bei Auslandsgeschäften - jedenfalls unter

gerichtlicher Verfolgung.

Im Binnenmarkt. Die wachen Ostblock-Exporteure haben nämlich die Novelle alsbald richtig interpretiert: Sie sperrt sich nicht gegen freundliche Aufmerksamkeiten gegenüber Beamten in

Drittstaaten. Und sie sperrt sich auch nicht gegenüber Nicht-Beamten.

VB als Null-Beamte?

Wobei spitzfindige Grübler überhaupt den Begriff des "Beamten" hinterfragen wollen. Sind denn die im öffentlichen Dienst häufig "nur" als "Vertragsbedienstete" tätigen Damen und Herren überhaupt

als "Beamte" und damit als im EU- Sinn schutzwürdige Amtspersonen anzusehen? Oder kann man ihnen -wenngleich jenseits der Legalität - im Bedarfsfall "Vorteilszuwendungen" zueignen, die - weil sie

nicht gerichtlich strafwürdig sind - beim Geber zu einem passablen steuerlichen Absetzposten führen? Letztlich gefragt: Kann wirklich jeder beruflich veranlaßte Schmattes als Steuerabsetzposten

boykottiert werden?

Hilfreicher Erlaß

Spätestens bei diesen Überlegungen war es im Finanz ministerium klar, daß man die Realitäten der Wirtschaftspraxis nicht durch eine lakonische Paragraphenkürzung negieren kann. In einem Erlaß, an

dem nun bereits seit mehreren Monaten gefeilt wird, will das Ministerium zu der wegnovellierten Gesetzesstelle eine ausführliche Erläuterung nachliefern. Tendenz des Erlasses: Bestechungszahlungen an

Nichtbeamte sind vom steuerlichen Abzugs verbot ausgenommen.

Faktor der Strafbarkeit

Diese zunächst überraschende Schlußfolgerung ergibt sich daraus, daß eine "Vorteilszuwendung" nur gegenüber Beamten ein Faktor der Strafbarkeit ist.

Juristischer ausgedrückt: Das steuerliche Absetzverbot für Bestechungsgelder gilt nur dann, wenn die Gewährung oder Annahme von Geld- und/oder Sachzuwendungen an sich ein Tatbestandselement

eines strafwürdigen Verhaltens ist.

Der Ministerialerlaß gibt dazu hilfreiche Hinweise, wann das einkommensteuerliche Abzugverbot für derlei Zuwendungen demzufolge nicht gilt. Etwa bei der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder

Betriebsgeheimnisses (auch zugunsten des Auslandes); bei Untreue, bei Mißbrauch der Amtsgewalt, bei Verletzung eines Amtsgeheimnisses oder etwa bei einer falschen Beurkundung oder Beglaubigung im

Amt. "Belohnungen" für "hilfreiche Dienste" in diesem Zusammenhang mögen verwerflich sein; steuerlich absetzbar bleiben sie dennoch.

Systemwechsel ab 12. Jänner

Um eine allzu abrupte Änderung in der Betreuungspraxis gegenüber beamteten ausländischen Geschäftspartnern zu vermeiden, weist der Erlaß ausdrücklich auf den Zeitpunkt des steuerlichen

"Systemwechsels" hin. Es ist der schon erwähnte 13. Jänner 1999. Erst für Zahlungen ab diesem Zeitpunkt soll die gesäuberte Absetzungspraxis in Kraft treten.

Manche Steuerfachleute wollen daraus folgern, daß Bestechungen von ausländischen EU-Beamten vor diesem Zeitpunkt jedenfalls absetzbar sind, wenn solche Zahlungen eindeutig mit Auslandsumsätzen

zusammenhängen. Und soferne die dankbaren Nehmer auch eine Empfangsbestätigung unterschrieben haben; denn ohne ordentliche Quittung hätte der nächste Steuerprüfer diese Ausgaben ohnehin nicht

anerkannt.