Anfang August will die SPÖ ihren Koalitions-Kriterienkatalog beschließen. Für den Kärntner SPÖ-Chef Kaiser ist er vor allem ein Verhandlungsinstrument.
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Wien. "Ich habe das nie klug gefunden." Für den langjährigen SPÖ-Parteistratege und nunmehrigen Medienberater Josef Kalina ist der rote Parteitagsbeschluss aus dem Jahr 2014 ein zusätzliches, "fesselndes" und eigentlich nicht notwendiges Hindernis. Den Kriterienkatalog, den aktuell der Kärntner Landeshauptmann und -parteichef Peter Kaiser federführend ausarbeitet, befürwortet Kalina.
Er tritt dafür ein, die FPÖ als möglichen Koalitionspartner nicht von vornherein auszuschließen, wie dies die vergangenen 30 Jahre der Fall war. Sich schon vor der Wahl de facto an die ÖVP zu binden, habe der SPÖ bei den Koalitionsverhandlungen sehr geschadet, so Kalina. Mit dem Kriterienkatalog, der Anfang August von den Parteigremien beschlossen werden soll, sei die Haltung der SPÖ in der FPÖ-Frage klar, denkt Kalina: Der Kriterienkatalog würde wesentliche inhaltliche Punkte definieren und für jeden möglichen Koalitionspartner gelten - also auch für die FPÖ. In dieser Lesart ist die Öffnung der SPÖ für eine mögliche Zusammenarbeit mit den Blauen bereits vollzogen. Ist die Anti-FPÖ-Doktrin also mit dem Kriterienkatalog ohnehin vom Tisch?
Kriterienkatalog mitfixem und flexiblem Teil
Für Peter Kaiser ist der Kriterienkatalog vor allem eines: ein Instrument für die Koalitionsverhandlungen. Den - nach wie vor aufrechten - Parteitagsbeschluss kann dieser aber nicht aufheben. Deshalb plädiert Kaiser, zuletzt am Dienstag im ORF-"Report", für eine Urabstimmung oder Mitgliederbefragung über einen nach der Wahl dann bereits ausverhandelten Koalitionsvertrag. Kaiser kann sich vorstellen, die SPÖ-Mitglieder per persönlicher Abstimmung, per Briefwahl oder auf elektronischem Wege oder auch in Kombination entscheiden zu lassen, ob der Koalitionsvertrag unterschrieben werden soll oder eben nicht. Ob Befragung, Sonderparteitag oder Urabstimmung - das will die SPÖ Mitte Juni in ihren Gremien entscheiden.
Interessant am Kriterienkatalog bleibt, dass er laut Kaiser aus einem "fixen und einem flexiblen Teil" bestehen werde. Demnach würde es dann doch auf die konkrete Anwendung in den Koalitionsverhandlungen nach dem 15. Oktober ankommen.
Die Frage, ob es denn eine Entscheidung, ob man mit der FPÖ könne oder nicht, noch vor der Wahl geben würde, beantwortete Kanzleramtsminister Thomas Drozda am Dienstag in der "Zib2" eindeutig: "Wir werden auf Basis des Kriterienkatalogs noch vor der Wahl klarmachen, ob wir eine Koalition mit der FPÖ ausschließen oder nicht." Einer Mitgliederbefragung steht Drozda - aus persönlicher Sicht, wie dieser betont - eher skeptisch gegenüber. Er sei der Meinung, dass ein mit 97 Prozent gewählter Parteichef durchaus das Pouvoir haben sollte, Koalitionsverhandlungen zu führen und auch abzuschließen. Entscheiden müsse das aber die Partei, so Drozda.
Verschließen möchte sich Drozda einer Befragung oder Abstimmung allerdings nicht. Er verweist, wie auch Kaiser, auf die deutsche Schwesterpartei SPD, die nach der Bundestagswahl 2013 und den folgenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU ihre Mitglieder über die Koalition abstimmen ließ. Nicht nur Kaiser, auch die SPÖ-Landeschefs von Tirol und der Steiermark sprechen sich offen für eine Befragung oder Abstimmung aus. Dass bei einer solchen Abstimmung nur wenige Parteimitglieder teilnehmen könnten, wie dies zuletzt bei der Mitgliederbefragung zu den SPÖ-Positionen beim Handelsabkommen Ceta der Fall war (nur rund sieben Prozent beteiligten sich damals), hält Kaiser nicht für problematisch.
Einerseits habe Parteichef und Kanzler Christian Kern selbst nach seinem Amtsantritt davon gesprochen, die Partei mit noch mehr Demokratie zu durchfluten. Andererseits würde eine Abstimmung über das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen durchaus den Druck auf die eigenen Verhandler erhöhen, ein Ergebnis zu erzielen, das eine deutliche sozialdemokratische Handschrift aufweist.