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SPÖ: Ein Tribut im roten Machtvakuum

Von Jan Michael Marchart

Politik

Bundesgeschäftsführer Drozda wirft das Handtuch. Das Parteipräsidium stellt sich hinter Parteichefin Rendi-Wagner.


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Das historisch schlechteste Wahlergebnis von 21,2 Prozent (minus 5,6 Prozentpunkte) der SPÖ forderte am Tag nach der Wahl sogleich seinen ersten Tribut. Der rote Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda trat von seinem Amt zurück. Seine Nachfolge wird Wahlkampfmanager Christian Deutsch antreten.

Mit Drozda verlässt ein Vertrauter von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner die Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße. Sie hat ihn nach ihrer Übernahme des Parteivorsitzes im vergangenen September dort installiert. Als Bundesgeschäftsführer war Drozda für die gescheiterte Wahlkampagne mit zuständig. Das Nationalratsmandat will der Ex-Kanzleramtsminister aber "selbstverständlich" annehmen. Er will Kultur- und Mediensprecher bleiben.

Über Drozdas Abgang wurde schon länger spekuliert. Nach der ebenso gescheiterten Europawahl, traute man ihm innerparteilich offensichtlich nicht mehr viel zu. Weshalb man Drozda für die Nationalratswahl Christian Deutsch als Wahlkampfmanager vor die Nase setzte, der als langjähriger Funktionär der Wiener SPÖ in der Partei stärker verankert ist. Das Ergebnis ist bekannt. Dennoch wird Deutsch nun Drozda als Bundesgeschäftsführer beerben.

Vor allem die jungen Roten sind auf Drozda nicht gut zu sprechen. Kritisiert wurde er dafür, dass er aufgrund parteilichen Drucks eine größere Parteireform entschärft hatte, die unter anderem die Mitbestimmung der Mitglieder gestärkt hätte. Andererseits kam es auch nicht besonders gut an, dass Rendi-Wagner mit Drozda den wesentlich jüngeren Steirer Max Lercher aus der roten Parteizentrale kickte.

Eine Zick-Zack-Kurskorrektur

Es könnte ein symbolischer Tribut gewesen sein, der Druck aus der misslichen Lage der SPÖ nehmen soll. Der Abgang soll Parteichefin Rendi-Wagner Zeit verschaffen, heißt es. Allerdings gibt es auch kein wirkliches Gedränge um den Parteivorsitz. Nach dem SPÖ-Präsidium betonten die Genossen am Montag jedenfalls, dass an der Parteispitze keine Veränderung kommt. "Es braucht keine Menschenopfer bei der ersten Sitzung nach der Wahl", sagte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und lobte Rendi-Wagners Wahlkampf-
Engagement.

Die mächtigen Wiener Roten verhalten sich ebenfalls zurückhaltend. Das erscheint nachvollziehbar: In ihrer absoluten Hochburg verlor die SPÖ (minus 5,6 Prozentpunkte) mehr als bundesweit. Die Grünen waren die großen Gewinner in Wien. Das sind alarmierende Vorzeichen für die Wahl in der Hauptstadt im kommenden Jahr - der Premiere von Bürgermeister Michael Ludwig.

Besonders ruhig dürfte die rote Selbstbeschäftigung allerdings einmal mehr nicht ablaufen. Wie so oft in der jüngeren Vergangenheit richten sich die Genossen in regelmäßigen Abständen öffentlich aus, dass sich etwas ändern müsse. Nur wie diese Veränderung aussehen soll, das weiß offensichtlich niemand so wirklich.

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, in dessen Bundesland die SPÖ hinter die ÖVP auf Platz zwei rutschte, stellte gegenüber "Heute" klar, dass man mit diesem Ergebnis "unter keinen Umständen zur Tagesordnung übergehen" könne. Die Partei müsse "ohne Schnellschüsse völlig neu aufgestellt werden". Doskozil entscheidet einmal mehr über den Kopf der Parteichefin hinweg, dass die SPÖ in Opposition gehen soll und "unter keinen Umständen den Mehrheitsbeschaffer" für die ÖVP spielen dürfe.

Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer, widerspricht und sieht die SPÖ auch weiterhin in einer Koalition im Bund. Dornauer, wie Doskozil ein ständiger Kritiker Rendi-Wagners, fordert auch eine "Kurskorrektur", sagt aber nicht welche. In Tirol verlor die SPÖ mit rund 7,5 Prozentpunkten übrigens am meisten.

Dann gibt es einen Kandidaten, der sich gleich ganz von der Bundespartei abkapseln möchte - zumindest gefühlt. Der steirische SPÖ-Landeschef Michael Schickhofer, der am 24. November eine vorgezogene Landtagswahl zu schlagen hat, schreibt den Steirern in einem Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" einen "eigenständigen und unabhängigen Kurs in der Sozialdemokratie" zu. Bis auf weiteres will er keine bundespolitischen Funktionen in der Partei mehr wahrnehmen. In der Steiermark sind die Roten allerdings schon seit der Nationalratswahl vor zwei Jahren hinter ÖVP und FPÖ gar auf dem dritten Platz. Schickhofer war es aber wichtig zu betonen, dass Rendi-Wagner eine Wiener Kandidatin sei.

"Es bietet sich niemand an"

Abgesehen von der ungeklärten Kurskorrektur: Wer soll überhaupt Rendi-Wagner ersetzen? Auch hier: Ratlosigkeit. Peter Kaiser brachte das rote Dilemma in der "Presse" auf den Punkt. Von seiner Seite sollte Rendi-Wagner nicht ausgetauscht werden, sagte er. Aber: "Es bietet sich auch niemand an."

Ein Name, der schon beim Abgang von Ex-Kanzler Christian Kern für den Parteivorsitz gefallen ist, ist Doris Bures. Die Zweite Nationalratspräsidentin und Ex-Ministerin sagte damals ab. Auch derzeit scheint sie sich nicht darum zu bemühen. Bures, die im Wahlkampf in Wien fast so prominent plakatiert wurde wie die Spitzenkandidatin, werden eher Ambitionen als Präsidentschaftskandidatin nachgesagt. Bures soll aber im Hintergrund die Fäden ziehen.

Vereinzelt wird von so manchem Genossen auch der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Lercher ins Spiel gebracht. Dieser habe aber noch zu wenig Rückhalt, heißt es. Lercher fordert in einem Facebook-Beitrag einen Reformparteitag, mit einer "Neugründung der Sozialdemokratie. Auch er spricht von einer Veränderung, die es brauche. Was im Beitrag fehlt, ist das Wie.