Zum Hauptinhalt springen

SPÖ-Frauen verlernen Kämpfen

Von Brigitte Pechar

Politik

Sonja Ablinger schmeißt SPÖ-Frauenvorsitz in Oberösterreich hin und fordert mehr Mut zu Frauenpolitik.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Linz/Wien. Der oberösterreichischen SPÖ-Frauenchefin Sonja Ablinger (48) reicht es. Sie hat am Donnerstag angekündigt, dass sie mit Jahresende den Vorsitz der SPÖ-Frauen in Oberösterreich abgeben werde. Grund für das Zerwürfnis in der SPÖ ist die Nachbesetzung des Mandats der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer durch einen Mann und nicht eine Frau. Der Gewerkschafter Walter Schopf machte als Nächstgereihter auf der Landesliste das Rennen. Die oberösterreichischen SPÖ-Frauen hätten aber lieber ihre hinter Schopf gereihte Landesvorsitzende Ablinger ins Parlament geschickt und beriefen sich auf die Quotenregelung.

Es wurden zwei Anträge auf Parteischiedsgerichte in dieser Frage gestellt: Am 6. Oktober entscheidet der Landesparteivorstand, am 7. Oktober der Bundesparteivorstand über die Einsetzung eines Schiedsgerichts. Denn es liege Statutenbruch vor, weil die darin vorgesehene Quotenregelung nicht eingehalten worden sei. Sollte dies festgestellt werden, sollte die auf der Landesliste nach Ablinger nächstgereihte Frau, die oberösterreichische Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ) und stellvertretende Landesparteivorsitzende Fiona Kaiser das Mandat bekommen, sagte Ablinger jetzt.

SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek hat den angekündigten Rückzug Ablingers bedauert. Dieser bedeute den Verlust einer "engagierten, kämpferischen und kritischen Stimme", erklärte Heinisch-Hosek. Die Frauensprecherin der Grünen, Berivan Aslan, stellt drei Fragen an die drei SPÖ-Politikerinnen Heinisch-Hosek, Sabine Oberhauser und Doris Bures: "1. Werden Sie versuchen, Sonja Ablinger zurückzuholen? 2. Was werden Sie ab jetzt zur Erhöhung der realen Frauenquote in Ihrer Partei tun? 3. Bedauern sie eigentlich den Rücktritt von Sonja Ablinger?"

Die "Wiener Zeitung fragte Ablinger nach den Gründen für ihren Rücktritt und der Frauenpolitik der SPÖ.

"Wiener Zeitung": Was war der Auslöser dafür, das Sie sich gesagt haben: Jetzt reicht’s?Sonja Ablinger: Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger hat in einem Interview behauptet, dass vor der Abstimmung über die Mandatsnachfolge von Barbara Prammer mir und Walter Schopf in einem Gespräch vorgeschlagen worden sei, auf die Mandatsansprüche zu verzichten und Fiona Kaiser nachzureihen. Dieses Gespräch hat es nie gegeben. Ich habe Luger in einer SMS gebeten, das aufzuklären. Ich habe Parteivorsitzenden Reinhold Entholzer um Klarstellung gebeten und schließlich habe ich ein Mail an alle Präsidiumsmitglieder geschickt. Es herrschte bleierne Stille. Ich stecke in politischen Auseinandersetzungen sehr viel ein und bin auch nicht wehleidig. Aber auf dieser persönlichen Ebene will ich keine Auseinandersetzungen führen.

SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek hat im Bundesparteivorstand den oberösterreichischen Vorschlag mit Schopf mitgetragen. Waren Sie enttäuscht, dass die Frauenvorsitzende sich hier gegen die Quote und damit gegen Sie ausgesprochen hat?

Ja, das hat mich schon enttäuscht. Und damit hat sie auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn es versteht niemand, dass man von Unternehmen eine Quotenregelung verlangt und diese in der eigenen Partei nicht einfordert.

Finden Sie, dass Heinisch-Hosek Frauenpolitik energisch genug vertritt? Wie stark gilt sie als Frauenchefin unter den SPÖ-Frauen?

Ich habe seit dieser Entscheidung ein eher ambivalentes Verhältnis zu Gabriele. Es gibt mit ihr sehr wenig konflikthafte Auseinandersetzungen. Da verlernt eine Frauenorganisation das Kämpfen. Wir hätten in der SPÖ den Schwangerschaftsabbruch nie durchgebracht, wenn die SPÖ-Frauen um Johanna Dohnal nicht öffentlich dafür eingestanden wären und sich nicht außerhalb der Partei Verbündete gesucht hätten. Es ist Aufgabe einer Frauenorganisation Bewegungen mitzunehmen und Auseinandersetzungen zu führen. Diese Bereitschaft fehlt.

Man hat das Gefühl, dass den Frauenorganisationen die Themen ausgegangen sind.

Frauenthemen stehen nicht mehr auf der Agenda. Obwohl da einiges zu tun wäre. Denken Sie nur an die weibliche Altersarmut, an die ökonomische Eigenständigkeit von Frauen. Aber es fehlt die Bereitschaft, Auseinandersetzungen zu führen. Die SPÖ hat ein Problem mit der Diskrepanz zwischen dem, was sie fordert, und dem, was sie umsetzt. Daraus entsteht eine Bunkerstimmung. Aber Ungerechtigkeiten leben am besten im Dunkeln. Nur wenn man Öffentlichkeit herstellt, hat man eine Chance, dem Lauf eine andere Richtung zu geben.

Haben Sie eine Positionierung von SPÖ-Vorsitzendem Werner Faymann vermisst?

Der Parteivorsitzende hat natürlich Verantwortung in der Frage der Quotenregelung, dieser ist er nicht gerecht geworden.

Warum haben Sie ihren Vorsitz nicht mit sofortiger Wirkung hingeschmissen?

Ich wollte einen geordneten Übergang haben. Dieser wird bei der Landesfrauenkonferenz am 13. Dezember erfolgen. Eine Nachfolgerin steht jetzt noch nicht fest.

Sonja Ablinger (48)

Die gebürtige Welserin ist Hauptschullehrerin für Englisch und Geschichte und unterrichtet an einer Neuen Mittelschule in Linz. Sie ist seit mehr als 15 Jahren Vorsitzende des Gewaltschutzzentrums in Oberösterreich. Ihre politische Laufbahn begann sie in der SJ, deren Bundessekretärin sie von 1991 bis 1992 war. Seit 2005 ist Ablinger Landesfrauenvorsitzende. Im Nationalrat saß sie von 1996 bis 1999 sowie von 2007 bis 2013, zuletzt als Kultursprecherin.