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Parteivorstand-Beschluss für geringere Hürden zu Einbürgerung und Geburtslandprinzip nach dem Vorbild Deutschlands.
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Rund um die Jahrtausendwende ist in Österreich die Zahl der Einbürgerungen stark angestiegen, auf bis zu 45.000 im Jahr 2003. Dafür gab es zwei Gründe. Erstens, die Migrations- und Fluchtbewegungen Anfang der 1990er (Jugoslawienkrieg) lagen damals etwa zehn Jahre zurück. Das war und ist jene Frist, nach der ein Antrag auf Einbürgerung gestellt werden kann. Zweitens konnten mit der Reform des Gesetzes 1998 bestimmte Gruppen, etwa Kinder, die in Österreich geboren wurden, rascher die Staatsbürgerschaft beantragen. Dadurch kam es in gewisser Weise zu Vorzieheffekten. Eine wirkliche Erleichterung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft stellte die Novelle unter Rot-Schwarz damals aber nicht dar. Grüne und das Liberale Forum sahen in der Reform sogar eine Verschärfung.
Seit damals ist viel passiert. Das Gesetz wurde in einigen Punkten doch fundamental verändert und die Hürden für Einbürgerungen unter Schwarz-Blau 2006 deutlich erhöht. Die Regierung wollte damals sogar Schülern, die sitzengeblieben sind, die Einbürgerung verwehren. Bis heute ist eine positive Note in "Deutsch" in der Sekundarstufe Voraussetzung für einen Antrag. Die Zahl der Einbürgerungen fiel nach der umstrittenen Novelle auf bis zu 6.000 jährlich, vor allem die Einbürgerungsquoten sind dramatisch gesunken. Kamen bis 2005 auf 100 ausländische Staatsbürger noch bis zu 5 Einbürgerungen pro Jahr, waren es im Vorjahr nur mehr 0,6 - ein absoluter Tiefstwert, und auch innerhalb Europas ist Österreich Schlusslicht.
Sieben Mal griff seither auch der Verfassungsgerichtshof ein, zuletzt diesen März, nachdem Antragsstellern aufgrund geringfügiger Verwaltungsstrafen in Höhe von jeweils 50 Euro die Einbürgerung verwehrt worden war. In einem Fall hatte eine Frau nach Eheschließung ihre Namensänderung nicht "unverzüglich", sondern erst sechs Monate später der Behörde gemeldet. Grund genug für den Magistrat der Stadt Wien, den Antrag der Frau abzulehnen. Die Passage, dass selbst so geringe Übertretungen ein Ausschlussgrund sind, muss nun gestrichen werden.
Es gab aber noch eine weitere Entwicklung, die von Relevanz ist. Die Zuwanderung, vor allem aus dem EU-Raum, hat die Zahl der ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger deutlich steigen lassen. In Wien ist der Anteil von 17 Prozent im Jahr 2002 auf zuletzt 32 Prozent gestiegen. Dabei handelt es sich nicht nur um Zuwanderer. Von den in Wien lebenden Ausländern sind laut Zahlen der Stadt Wien etwa 15 Prozent in Österreich geboren worden. Immerhin fast 90.000 Personen. Diese Entwicklung hat wiederum demokratiepolitische Folgen, da gerade in Wien ein substanzieller Teil der Bevölkerung nicht wahlberechtigt ist.
Geändert haben sich seit 1998 aber nicht nur Gesetz, Migrationsströme und Bevölkerungsstruktur, sondern auch die Sichtweisen der SPÖ. Drei Jahre lang erarbeitete eine Gruppe eine neue Position für ein "modernes Staatsbürgerschaftsrecht", der Bundesvorstand der Partei hat es bereits beschlossen.
Geburtslandprinzip verankern
Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten und Leiter der Arbeitsgruppe, spricht von einem "Paradigmenwechsel". Das jetzige Gesetz gehe an den Lebensrealitäten vorbei, es sei kostenintensiv und impliziere damit eine Auslese, zudem gebe es zahlreiche bürokratische Hürden.
Die SPÖ will die Frist von zehn auf allgemein sechs Jahre rechtmäßigen Aufenthalts absenken, nach der ein Antrag auf Einbürgerung gestellt werden kann. Auch die übrigen Kriterien sollen angepasst werden. Ein Auslandsaufenthalt, etwa für das Studium, soll nicht mehr dazu führen, dass die Frist noch einmal zu laufen beginnt. Vor allem aber soll das Einkommenserfordernis gesenkt werden. Wer in sechs Jahren nicht mehr als 36 Monate Sozialhilfe bezogen hat, soll künftig berechtigt werden. Die Bundesgebühren von 1.115 Euro pro Einbürgerung, die grundsätzlich Ländersache ist, sollen komplett fallen. "Diese finanziellen Hürden will die Sozialdemokratie aus dem Weg räumen", sagt SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz.
Der größte Bruch mit der gegenwärtigen Rechtslage wäre die Ergänzung durch ein abgeschwächtes Geburtslandprinzip (ius soli), wie es bereits Deutschland vor einigen Jahren eingeführt hat. Demnach sollen in Österreich geborene Kinder automatisch das Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben, wenn ein Elternteil bei der Geburt zumindest fünf Jahre rechtmäßig in Österreich ist. In Deutschland sind es acht Jahre. "Die Staatsbürgerschaft ist nicht die Krone der Integration, sondern ihr Motor", sagt Yilmaz.
Gegen Parallelgesellschaften
Junge Menschen, die in Österreich geboren und aufgewachsen, aber eben Ausländer und dadurch nicht wahlberechtigt sind, seien auch anfällig für spaltende Propaganda aus dem Ausland, sagt Paul Stich, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend. "Wir sollten deren Arbeit nicht erleichtern, indem man Bürger zweiter Klasse schafft."
Noch eher unkonkret sind die Ideen der SPÖ hinsichtlich einer Doppelstaatsbürgerschaft. Diese will man "erleichtern", heißt es. Angeführt werden aber primär Ausland-Österreicher, die etwa aus beruflichen Gründen eine andere Staatsbürgerschaft annehmen, die österreichische aber deshalb nicht abgeben wollen. Das Thema Doppelstaatsbürgerschaft hat vor allem durch die Personenfreizügigkeit in der EU an Relevanz gewonnen. Deutschland erlaubt Mehrstaatigkeit innerhalb der EU seit 1999 auch bei Verleihung der Staatsbürgerschaft. Österreich nicht. Auch damit ist die Republik zum Außenseiter geworden. Weltweit sind es nur mehr 32 Länder, die Doppelstaatsbürgerschaften nicht oder nur in wenigen Ausnahmen erlauben.